Geek’shon – die Welt eines Skwon

Geek’shon hielt in der Bewegung inne. Wie erstarrt hockte er da, wagte nicht, sich zu rühren und hielt den Atem an.

Was war das für ein Geräusch gewesen?

Er zitterte und sah zu Swa’kra hinüber. Auch sie schien es gehört zu haben. Sie lauschte angespannt.

Er sah sich um.

Da war ein Schatten.

War der vorher schon da gewesen?

Er konnte sich nicht erinnern. Er beobachtete die Erscheinung, die unendlich groß und bedrohlich war. Und der Schatten… bewegte sich!

„WEG HIER!“ Brüllte er zu Swa’kra hinüber.

Und im gleichen Moment preschte er los. Er rannte um sein Leben, denn er wusste, was das war, das er da sah. Es war ein Golark, ein riesiges Monster!

Golark waren hinterhältige Geschöpfe und sobald sie einen Skwon sahen schien sie die Mordlust zu packen. Sie wollten die Skwon ausrotten, obwohl sie gar keine Gefahr für diese gigantischen Wesen waren.

Sie waren keine Nahrungskonkurrenten, sie waren keine Feinde. Die Golarks fraßen auch die getöteten Skwon nicht. Sie ließen sie einfach liegen.

Sie hatten unglaublich große und gefährliche Maschinen gebaut und töteten die Skwon auf alle nur vorstellbaren Arten. Es waren grausame, herzlose Geschöpfe.

Ein kurzer Blick nach Hinten überzeugte Geek’shon, dass auch Swa’kra losgelaufen war. Er hatte sich nach rechts gewandt, sie nach links. Das war gut so, so konnte der Golark sie nicht beide verfolgen.

Doch wenn man die Wesen bemerkte war man sowieso schon fast in Sicherheit. Golarks waren groß und intelligent, aber sie waren langsam und trotz aller ihrer Hilfsmittel kaum in der Lage, einen gesunden Skwon zu fangen.

Er hoffte nur inständig, dass der Golark keinen Trrak dabei hatte. Diese Wesen waren höchst gefährlich. Sie waren schnell, sie waren wendig und sie konnten den Spuren eines Skwon fast unbegrenzt lange folgen. Die Trrak lebten mit den Golark in Symbiose. Sie waren kleiner als diese und ließen sich bereitwillig von ihnen beherrschen. Es waren ihre Paladine im Vernichtungskrieg gegen die Skwon.

Die Golark gaben ihnen sogar Futter und ihr einziger Zweck schien zu sein, Skwon zu jagen und zu töten.

Früher, so berichteten die Legenden der Ältesten, hatten die Trrak sich von Skwon ernährt. Damals waren sie noch gefährlicher gewesen.

Heute aber jagten auch sie offenbar nur noch zum Spaß. Ebenso, wie die Golark selbst es taten.

Es war eine grausame, eine feindliche Welt. Und alles ging von den Golark aus. Sie waren bestimmt vier mal viermal so groß wie ein Skwon und diese riesigen, unbeweglichen Körper schienen aus purer Mordlust zu bestehen. Möglicherweise waren sie sogar noch größer. Es ließ sich schwer ermitteln und die Welt der Skwon wurde dominiert von der Vier, der Zahl ihrer Beine.

Geek’shon kehrte mit seinen Gedanken in die Gegenwart zurück und schalt sich, dass er sich so hatte ablenken lassen. Er stob auf einen großen freien Platz hinaus und schlug einen Haken.

Neben ihm ragte eine Steilwand empor.

Zu dieser orientierte er sich und rannte an ihr entlang. Ein gigantischer Überhang bildete in einer Höhe, durch die er so gerade noch hindurch kriechen konnte, einen Durchgang.

Er zwängte sich darunter hindurch und fand sich in der gigantischen Höhle wieder, durch die sie gekommen waren. Jetzt musste er nur noch den Tunnel erreichen, der in die Welt er Skwon führte.

Gehetzt sah er sich um.

Von Swa’kra war nichts mehr zu sehen. Sein Herz bekam einen Stich. Für einen Moment sah er sie, von den gigantischen Mordwerkzeugen der Golark zerquetscht, irgendwo liegen. Leidend, schreiend, blutend… sterbend.

Eine Träne trat ihm in die Augen. Doch dann riss er sich zusammen. Sie war jung, sie war stark und sie war schneller als er selbst!

Sie würde es schaffen und sie würde entkommen. Er blickte nach oben. Allerlei Geröll war hier und die Golark hatten einige ihrer Werkzeuge hier stehen.

Er sprang auf eines der Geräte.

Wozu es diente hatte er keine Ahnung. Nur dass es groß war. Bestimmt drei mal viermal so hoch wie ein Skwon. Und er selbst war ein eher kleinerer Vertreter seiner Gattung. Doch selbst einen Dorak’iek überragte es um diese Höhe.

Er kletterte an einer Strebe empor. Dies ging schnell vonstatten. Die Strebe war aus Holz und bot gute Griffmöglichkeiten. Er kam schnell voran und stand bald auf einem Plateau, das das Gerät bildete.

Er sah sich um. Noch schien ihn niemand, keines der Monster, bemerkt zu haben.

Wo blieb nur Swa’kra?

Er konzentrierte sich wieder auf seine Klettertour. Er musste noch etwa zwei mal dreimal die Körpergröße eines Skwon überwinden.

Und hier blieb ihm nur ein Sprung!

Dann kam er zu dem Durchgang, vor dem eine Ansammlung riesiger Streben war. Auch diese waren fast doppelt so hoch wie ein Skwon. Und er hatte für den Sprung, wie üblich, nur einen Versuch.

Dann musste er den Durchgang erreicht haben.

Sonst würde er in die Tiefe stürzen. Sicher, Skwon waren beweglich und konnten einen solchen Sturz problemlos überleben – aber ohne Schmerzen würde das nicht abgehen und zu Viele hatten sich bei so etwas schon ernstlich verletzt, manche sogar Beine gebrochen oder dergleichen.

Er hörte einen überraschten Aufschrei.

Das war eindeutig Swa’kra gewesen!

Seine Swa’kra!

Sie hatte ihn noch nicht erhört, sie hatten noch keine Beziehung aufgebaut und sie hatte ihm noch keine Kinder geschenkt – nur von Dorak’iek hatte sie einmal Kinder bekommen.

Aber das war normal.

Die Familienführer hatten das Vorrecht, Kinder zu bekommen, mit wem sie wollten. Aber Geek’shon wünschte sich nichts mehr, als einmal Vater zu werden und außer Swa’kra kam für ihn niemand in Frage, der seine ersten Nachkommen austragen könne.

Er musste sie retten.

Sie war ganz offenbar in Gefahr. Sehnsüchtig blickte er zum Durchgang hoch. Er hatte Angst und sehnte sich in die Sicherheit ihrer Höhlenlabyrinthe zurück. Dorthin, wo ihnen fast nie ein Golark folgte, weil sie gar nicht hinein kamen. Und auch Trrak kamen nur sehr selten dorthin.

Und hier, in der vertrauten Umgebung der eigenen Höhlen waren sie den Monstern auch überlegen oder zumindest gewachsen. Hier konnten sie manchmal mit konzentrierten Angriffen einige wenige der Monster töten. Es gab sogar Legenden, dass es sogar schon gelungen sei, Golark selbst zu töten, oder zumindest in die Flucht zu schlagen.

Sie waren Viele!

Sehr Viele! Doch sie waren normalerweise verfeindet. Er fragte sich oft, was das sollte. Würden sie zusammenarbeiten, sie könnten sich gut verteidigen.

Aber zumeist flohen seine Artgenossen. Sie wehrten sich nicht. Sie warteten, bis man sie einzeln fing und tötete.

Er würde das nicht zulassen. Er würde Swa’kra helfen!

Er würde dafür sorgen, dass das Morden aufhörte!

Entschlossen, wenn auch mit zitternden Beinen kletterte er hinunter. Auf dem Boden angekommen sicherte er zunächst nach allen Seiten.

Doch es war dunkel und in der Dunkelheit konnten sich die Golark nicht orientieren – Trrak allerdings schon!

Und das war das Gefährliche an dieser Situation. Er wusste, dass es hier Trrak gab. Mindestens einen. Es gab auch Berichte, dass mehrere gesehen wurden.

Doch die kamen von Mak’kan. Der war als Aufschneider bekannt und ein Draufgänger. Er begab sich in Gefahr und prahlte nachher damit. Einmal, so hatte er berichtet, war er in eine Versammlung von hundert Golarks geraten und mitten hindurch gerannt.

Und sie wären vor ihm geflüchtet und hätten nur ohrenbetäubend gebrüllt.

Geek’shon glaubte kein Wort davon. Als würden gigantische Golarks vor einem solchen Angeber fliehen! Vermutlich waren es vielleicht fünf oder sechs Golark gewesen – und er war es gewesen, der geflohen war. Sei es wie es sei, zwischenzeitlich war er ohnehin tot.

Es war vor einigen Tagen gewesen, als er von einem Streifzug nicht zurückkehrte. Man hatte zwei Tage später seine zerschundene Leiche gefunden. Und niemand war wirklich traurig gewesen.

Doch immerhin war es möglich, dass er Recht hatte. Sie wussten nicht viel über dieses Gebiet hier. Erst kürzlich hatten sie es erschlossen, als sie den Tunnel gegraben hatten, der zu dem Durchgang führte.

Und nur seine Familie kannte überhaupt diesen Durchgang. Hier gab es reichhaltige Nahrungslager und sie wollten sie allein für sich haben. Geek’shon fand das nicht richtig.

Andere Skwon hungerten und sie hatten hier die reichhaltigen Reserven für sich. Sie konnten niemals alles auffressen, das war klar. Und immer und immer wieder fanden sie neue feine Dinge. Aber er getraute sich nicht, die Entscheidungen Dorak’ieks anzuzweifeln.

Er war der Führer ihrer Familie, er war das Oberhaupt. Er entschied und sie folgten. So war das eben und es hatte Tradition. Ihr Volk war sehr alt geworden mit dieser Struktur. Sei Äonen gab es Skwon, also schien die Struktur nicht falsch zu sein.

Sie waren ein starkes Volk und hatten sich immer und überall zurecht gefunden. Und gerade in der Regentschaft von Dorak’iek hatten sie neue Nahrungsquellen erschlossen. Sie hatten früher, so erzählten die Alten, in der Wildnis gelebt. Sie hatten keine Höhle gehabt, sie waren Kälte, Wind und Wetter ausgeliefert gewesen und Viele waren an Krankheiten gestorben oder verhungert.

Erst, als es wieder einmal Frost gegeben und die Hälfte der Familie den Tod gefunden hatte, da waren sie bereit gewesen, ihm zu folgen. Er war in dieser Zeit zum Führer aufgestiegen, als der weise Kwag’bru gestorben war. Er hatte, so berichteten die Legenden, die Kälte nicht mehr ausgehalten und war eines Morgens nicht mehr aufgewacht.

Sie hatten sich dann in die Höhlen aufgemacht und hier Sicherheit und Wärme gefunden. Doch auch viele feindliche Familien – und die Golark!

Und jetzt war eines dieser Monster dabei, seine Swa’kra zu töten.

Entschlossen rannte er los, kroch unter dem Durchhang hindurch und fand sich in einer bemerkenswert hellen Höhle wieder. Er sah sich um und lauschte.

Wo war Swa’kra?

Er hörte einen lauten Knall, gefolgt vom Brüllen eines Golark. Er lief auf die Geräusche zu. Immer dich an der gigantischen Felswand vorbei.

Und dann sah er sie!

In einer Höhle, in der überall gigantische Dinge standen, die die Golark gebaut hatten. Und zwei von ihnen schoben nun die Dinge umher. Wozu sie dienten hatte er keine Ahnung. Warum die Golark sie immer aufstellten auch nicht. Sie nützten sie offensichtlich, um ihre Nahrung zu verbergen oder dergleichen.

Sie nutzten allerlei Dinge, von denen Skwon nichts verstanden. Aber das lag vermutlich schon an ihrer schieren Größe, denn ein Skwon konnte diese Dinge nicht überblicken.

Es war ihm aber auch egal.

Er suchte nach Swa’kra. Und dann sah er sie. Sie hockte ängstlich hinter einem der Dinge. Und die Golark zerrten mit ihren gigantischen Kräften daran.

Wenn sie das Ding weg geschoben hätten, dann wäre ihnen Swa’kra hilflos ausgeliefert. Es blieb ihr nur eine Möglichkeit: Die schnelle Flucht.

Sie musste den Mut aufbringen, fast durch die Golark durchzulaufen, sich mit schnellen Bewegungen durch ihre gigantischen Beine, die wie Säulen aus dem Boden ragten, zu flüchten und so zu entwischen.

Verzweifelt rief er sie. „Swa’kra! Lauf, folge mir! Schnell!“

Doch sie rührte sich nicht.

Sie zitterte vor Angst und war kaum zu einer Regung fähig. Er fragte sich, ob sie ihn überhaupt gehört hatte.

Verzweiflung machte sich in ihm breit. Er konnte sie nicht so zurück lassen! Ihre wunderschönen Beine drohten vor Angst einzuknicken, ihre zierliche Nase bebte.

Er musste etwas tun!

Mit dem Mute der Verzweiflung rannte er los! Er sprang einen der Golark an und biss zu!

Ein ohrenbetäubendes Brüllen antwortete und das Monster versuchte, ihn abzuschütteln. Ein riesiges Bein näherte sich und drohte, ihn zu zermalmen!

Geek’shon ließ von seinem Gegner ab und wandte sich nun wieder zur Flucht. Er hoffte, die Golark würden ihm folgen und Swa’kra in Ruhe lassen! Sie hatte ihnen doch nichts getan! Warum konnten diese grausamsten aller Kreaturen sie nicht einfach leben lassen?

Er sprang.

Doch aufgrund der Bewegung des riesigen Beines, in das er sich verbissen hatte und das folglich seine Absprungfläche bildete, berechnete er den Sprung falsch.

Er flog viel zu hoch – und das andere Bein traf ihn.

Ein mörderischer Hieb erwischte ihn, schleuderte ihn durch die Luft und raubte ihm den Atem. Er rotierte um seine eigene Achse, verlor die Orientierung und schrie vor Angst und Schmerz.

Der Schlag hatte ihm die Luft genommen.

Er spürte sofort einen stechenden Schmerz. Vielleicht hatte er sich etwas gebrochen.

Blut troff ihm aus der Nase. Er wollte weiter schreien, doch seine Lungen waren leer. Der Hieb hatte jeden Rest Luft daraus entweichen lassen.

Hilflos flog er weiter.

Und dann kam der Aufprall. Auch hier wies die Höhle eine senkrechte Felswand auf. Und er prallte aus vollem Flug davor. Wieder fuhr ihm ein stechender Schmerz durch alle Glieder und ließ ihn für Augenblicke das Bewusstsein verlieren.

Helle Punkte flirrten vor seinen Augen. Seine rechte Seite brannte wie Feuer. Ein Bein war zumindest verstaucht und sandte Wellen des Schmerzes durch seinen Körper. Er schüttelte sich, um die Benommenheit aus seinem Körper zu vertreiben.

Dann konnte er wieder einigermaßen klar sehen, wenn sich auch ein Nebel über seine Augen gesenkt hatte. Er nahm seine ganze Umgebung nur verschwommen wahr. In seinen Ohren rauschte das Blut und nahm ihm die akustische Wahrnehmung.

Er musste aufstehen.

Er musste laufen. Er sah, dass sich der Golark näherte. Glücklicherweise lag eines der großen Dinger zwischen ihm und dem Monster.

Um dieses musste es sich zunächst herum bewegen. Das gab Geek’shon die nötigen Sekunden, sich aufzurappeln. Er konnte jetzt nicht mehr schauen, ob Swa’kra sich retten konnte. Mit letzter Kraft sammelte er alle Luft in seine brennenden Lungen.

Als sich diese füllten durchfuhr ihn ein stechender Schmerz. Dennoch brüllte er mit aller Kraft „Swa’kra! Lauf! Es ist die einzige Chance!“

Wieder wurde ihm schwarz vor Augen. Er musste nochmals Atem holen. Der Schmerz brachte ihn wieder zur Besinnung. Er richtete sich auf – und wieder durchzuckte Schmerz gleich eines glühenden Dolches seinen Körper. Sein Bein war schwerer Verletzt als er gedacht hatte.

Doch darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen.

Er musste fliehen. Mit einem Schmerzensschrei kam er auf die Füße. Und lief.

Er lief, so schnell er konnte. Dabei humpelte er, doch die Todesangst verlieh ihm Kräfte, die die eines normalen Skwon bei Weitem überstiegen.

Er rannte, rannte um sein Leben.

Er wusste nicht mehr wo er hin musste, er wusste nicht wie er heraus kommen würde. Er folgte nur den Markierungen, die sie hinterlassen hatten. Sein Gehör funktionierte kaum, die Augen lieferten ihm nur ein verschwommenes Bild der Umgebung. Doch die Nase funktionierte noch einwandfrei. Und die Markierungen, nach denen sich Skwon richteten, waren olfaktorischer Natur.

Er hastete fast blind dieser Richtschnur nach. Hinter sich hörte er das wütende Brüllen der Golark. Sie verfolgten ihn. Da war er sicher. Er hastete vorwärts, scheute sich auch nicht, offene Flächen zu überqueren.

Die Höhlen, in die er kam, waren schlechter beleuchtet. Und dann stand er wieder vor dem Gerät, das er erklimmen musste. Er versuchte sich zu orientieren, suchte nach Swa’kras Geruch. War sie hier gewesen?

Es schien so. Er vermeinte, einen frischen Geruch von ihr in der Luft wahrzunehmen.

Andererseits waren sie erst vor Kurzem überhaupt hier durch gekommen. Der Geruch konnte auch von daher kommen. Doch war da nicht auch ein Geruch nach Blut? Er hoffte, dass er sich täuschte. Aber vielleicht war es auch sein eigenes Blut, das er roch.

Aber im Moment ging es um viel unmittelbarere Dinge.

Es ging um sein eigenes Leben!

Er musste nun, mit seinem zerschundenen Körper, mit dem verletzten Bein und insgesamt angeschlagen, dieses Gerät erklimmen. Er sprang und hielt sich fest. Die Hälfte der Strecke hatte er so geschafft.

Weiter kletterte er. Er kletterte schnell und gewandt, fast so, als wäre er unverletzt. Doch jede Bewegung sandte einen Blitz des Schmerzes durch alle Glieder. Endlich hatte er das Plateau erreicht. Hinter sich hörte er das Stampfen und Brüllen der Golark. Es wurde höchste Zeit! Hoffentlich schaffte er den Sprung!

Er atmete noch einmal tief ein – was seine Lunge wiederum mit stechendem Schmerz quittierte – und rannte los.

Als er die Kante erreicht hatte stieß er sich mit aller Kraft ab – und sprang. Er segelte durch die Luft, beinahe wie zuvor nach dem Angriff des Golark. Kaum war er in der Lage, den Sprung zu kontrollieren. Einen Herzschlag lang fürchtete er, er sei zu hoch gesprungen und würde oberhalb des Durchganges gegen die Steilwand prallen.

Aller Schmerz war vergessen.

Angst beherrschte ihn.

Würde er diesen Sprung nicht schaffen und wiederum abstürzen, er hätte keine Chance. Wenn ihn, in seinem jetzigen Zustand, der Sturz nicht bereits umbrachte, dann würden es zweifelsohne die Golark tun. Auch wenn es hier unglaublich viele Verstecke gab, so viele riesige Dinge standen und lagen herum, sie würden ihn unweigerlich finden und bestialisch töten.

Dann hörte er, immer noch im Sprung, ein weiteres, ein anderes Brüllen.

Ein Trrak! Dieser würde ihn ohne Zweifel aufspüren. Den Trrak konnte man nicht entrinnen. Man konnte sich ihnen nur durch Flucht und Schnelligkeit entziehen. Schwindel erfasste ihn und er glaubte, das Bewusstsein zu verlieren.

Doch dann kam der Aufprall. Er streifte eine der senkrechten Säulen vor dem Durchgang und landete.

Für einen Moment verlor er durch den Schmerz, der durch seinen Körper schoss, das Bewusstsein.

Als er wieder zu sich kam – es konnte nur Augenblicke gedauert haben – bemerkte er, dass er rutschte. Verzweifelt versuchte er, sich nach Vorne zu werfen.

Doch unnachgiebig zog ihn die Gravitation nach hinten. Er wollte sich festhalten, doch offenbar hatte der Aufprall ein Übriges getan und sein Bein endgültig gebrochen.

Er rutschte weiter.

Und dann fiel er.

Hinter sich hörte er das Brüllen der Golark.

Unendlich lange schien sein Sturz zu dauern.

Schlagartig wurde es taghell in der Höhle und Geek’shon schloss geblendet die Augen.

Dann kam der erneute Aufprall.

Glühende Dolche schienen sich durch seinen ganzen Körper zu bohren. Er merkte wie seine Augen zu tränen begannen. Er hörte ein Knacken. Irgendwo in ihm. Mit aller Kraft, die er noch hatte richtete er sich auf. Er sah sich um. Da waren all diese Geräte.

Er humpelte darauf zu, so schnell er konnte.

Das Brüllen wurde lauter, irgendwie hysterischer, wie es schien. Blutrausch schien die Golark befallen zu haben. Er saß in der Falle. Endlich umfing ihn die Dunkelheit eines Verstecks. Über sich sah er nur wirre Anordnungen von Dingen. Er hoffte, hier einigermaßen sicher zu sein. Offenbar war auch das Brüllen des Trrak von weiter entfernt gekommen. Jedenfalls schien er nicht da zu sein.

Ein Trrak hätte ihn schon längst gesehen und ihn gefangen. Und getötet.

Er konnte auch keines dieser Ungeheuer riechen. Still saß er da. Verzweifelt. Schicksalsergeben.

Über sich hörte er, wie die Dinge, unter denen er hockte, in Bewegung kamen. Sie wollten morden. Und er kam nicht mehr weg. Er war verloren.

Langsam und doch viel zu schnell verging die Zeit.

Er dachte an Swa’kra.

Er hoffte inständig, sie habe es geschafft. Er würde keine Kinder mehr mit ihr zeugen. Aber wenigstens sie sollte überleben. Vielleicht würde sie ja Kinder in seinem Andenken bekommen.

Plötzlich fiel helles Licht auf ihn.

Reflexartig stürmte er los. Er rannte um sein Leben. Obwohl er nur drei einigermaßen gesunde Beine hatte rannte er vermutlich schneller als je zuvor in seinem Leben. Doch er wusste, dass seine Chancen gering waren. Er sah einen Schatten. Eine schnelle Bewegung.

Und dann traf es ihn. Mit fürchterlicher Wucht wurde er von einem gigantischen Gegenstand erwischt, der die Welt zu verdunkeln schien. Er hörte seine Knochen brechen. Er spürte, wie die Luft ein letztes Mal aus seinen Lungen gepresst wurde. Ein lautes Gebrüll, zählte zu den letzen Sinneseindrücken, die er noch hatte.

Schmerzen durchzuckten seinen Körper. Er lag auf der Seite und auch sein Körper zuckte.

Er kämpfte den letzten Kampf seines Lebens. Einen aussichtslosen Kampf. Ein letztes Zucken der Hinterbeine, dann verlor er das Bewusstsein.

Friede umfing ihn.

„Ich hab sie, ich hab sie!“

Triumphierend hielt Markus den Besen hoch! „Ich hab auch die zweite Ratte erwischt! Dieses Drecksvieh wird nie mehr unseren Kuchen anfressen!“

Mit grimmigem Blick sah er auf die kleine graue Leiche herab. Er vollführte eine Bewegung mit dem Besen, die andeuten sollte, dass er eine Pistole ins Halfter schieben würde.

„Sehr gut!“ erwiderte sein Vater. „Und da oben“ er deutete auf das Lüftungsgitter „schien sie hin zu wollen. Müssen wir morgen mal checken. Vermutlich haben sie sich vom Kanal aus durchgefressen.“

Er schüttelte sich vor Ekel.

„Ich werd schon mal ein Kontaktgift rein streuen. Und morgen Früh sehen wir uns das Ding an und machen es dicht.

Mit Beton, den wir mit Glasscherben versetzen. Räum bitte das Gerümpel wieder in die Kammer.

Ich hol das Gift…“

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