Klimaschutz ist keine Religion, es ist Evidenz!

Aktuell werden auf diversen Social-Media-Kanälen mal wieder haufenweise Posts angezeigt die, nun, wie sagt man?, „Klimakritisch“ sind. Auf diversen Ebenen. Mal wird bestritten, dass es den Klimawandel GIBT (allerdings wenige), mal, dass er anthropogen ist (etwas häufiger), mal dass regenerative Versorgung unmöglich sei (sauoft) oder das klassische „alle KlimaaktivistInnen [normal natürlich ungegendert] sind TerroristInnen“-gelaber (noch öfter). Und das natürlich unabhängig davon, welche Strömung das denn nun ist. Egal, ob Last Generation oder Scientists für Future. Und natürlich sorgen Greta Thunbergs fraglos sehr kritikwürdige Aussagen zur Nahost-Krise als Beleg dafür, dass alle Klimabewegung fragwürdig bis falsch ist. Ganz so, als habe das nur das Geringste miteinander zu tun. Da kommen dann auch Aussagen zu völlig schwachsinnigen Ansätzen wie E-Fuels oder Wasserstoff zum Heizen, die entweder „Technologieoffenheit“ einfordern oder – wenn man es kritisiert – vorwerfen man wolle „nur eine ideologische, pure Art des Klimaschutzes“. Für mich verdeutlicht das ein mittlerweile einigermaßen altes Interview aus der Sendung Talk aus Berlin vom 19.11.2020 sehr gut. Dabei sitzt Maja Göpel, unter anderem Frontfrau von Scientists for Future, Buchautorin und Mitglied des Bioökonomierats der Bundesregierung, vor Jörg Thadeusz und er wirft ihr zunehmend deutlich vor, sie wolle ja andere Leute nur gängeln, bis ihr bei 29:08 auf gut Deutsch „der Arsch platzt“ und sie in der Folge sagt: „Herr Thadeusz, noch einmal: Möchten wir das jetzt ernst nehmen, mit der Umweltkrise, oder möchten Sie das insgesamt in Frage stellen? Haben Sie den Eindruck, uns Wissenschaftlern macht das Spaß? Meinen Sie nicht, dass ich das supergeil fände, hier zu sitzen und zu sagen: Hey, jeder soll 14 Häuser haben, 23 SUVs und 434 Mobiltelefone? Wenn es diese Probleme nicht gäbe, wäre ich doch die Allerletzte, die nicht sagen würde: alles raus damit, für alle immer mehr. Ich frage mich immer: Was ist das Motiv, das Sie uns unterstellen wollen? Es ist doch einfach erstmal, Naturwissenschaften ernst nehmen und dann zu fragen: Was mache ich mit diesem Befund? Und zu gucken, wie können wir – und wenn wir in die Geschichte gucken sind typischerweise Kriege über Ressourcenengpässe entstanden, sind Sicherheitsfragen durch eine Versorgungsunsicherheit entstanden. Was ist das Motiv? Sie tun immer so, als wollte ich den Leuten den Spaß verderben oder irgendwas. Hier geht es darum, einfach das, was die Wissenschaft und die Beobachtung und da haben wir Gott sei Dank durch die Digitalisierung inzwischen auch ziemlich gute Datenbasen, uns sagt, was sich verändert und dass es nicht positiv ist. Und dann versuchen wir, daraus abzuleiten, im Auftrag der Bundesregierung übrigens, die die politischen Ziele gesetzt hat, das zu verhindern, diese Konsequenzen. Lösungen zu formulieren. Und Möglichkeiten zu formulieren. Und dann gucken wir rein, was sind typischerweise die Treiber? Und Überkonsum ist ein Wort, da wird jetzt wahrscheinlich wieder die Hälfte der Republik aufschreien, was das überhaupt ist, aber es ist ein Begriff in der Wissenschaft, wenn wir das angucken, was Menschen – unterschiedliche Menschen auf diesem Planeten, jeder Einzelne für sich ein Individuum – pro Kopf in Anspruch nehmen von diesem Planeten. Und dann gibt es so etwas wie Überkonsum, weil eine Grundversorgung, im Sinne von ‚ich bin tatsächlich gut versorgt‘, längst erreicht ist und dieses hohe Konsumniveau in einem Teil des Planeten dazu führt, dass wir nicht genug Ressourcen haben, um denjenigen auf diesem Planeten genug zu geben, die noch nicht genug materiell versorgt sind. Entweder wir wollen das ernst nehmen, mit diesen physikalischen Größen, oder wir lassen’s.“ Viel besser wurde für mich nie zusammengefasst, wie die Situation ist. Überhaupt fasst dieses Interview die ganze Debatte so gut zusammen, wie ich es kaum je gesehen habe.

Wissenschaft versus Religion

Göpel versucht über eine halbe Stunde immer wieder ganz ruhig und sachlich, Dinge zu erläutern. Thadeusz bremst sie mit zunehmend absurden Einwürfen aus und spricht davon, die „Einladung“ hole ihn ob der Schreckensszenarios nicht ab. Göpel sagt zunehmend genervt, dass diese Schreckensszenarios doch nicht die Einladung seien, sondern die Konsequenz, die determiniert durch Naturgesetze droht, wenn man eben nicht handelt. Dass die Einladung aber eigentlich eine ganz andere sei. Ich habe mich immer wieder gefragt: Wie kann ein Mensch das nicht sehen. Und gestern habe ich in einer Diskussion mit meiner Freundin einen Ansatz gefunden, den ich ganz logisch finde. Und als ich mir heute auf der Suche nach obigem Zitat dieses Interview noch einmal angesehen habe, fiel mir auf: Thadeusz nennt das sogar. Er spricht davon, um 10:00, die Natur sei in der Betrachtung von Klimaschützern, Gott- oder Götzengleich. Später sagt er bei 11:25, die Herangehensweise, wir müssten etwas tun, sorge dafür, „man geht [gehe] mit so nem schweren, protestantischen Schuldverständnis durch die Welt“. Bis dato ist mir das nicht aufgefallen und ich habe das Interview durchaus einige Male geschaut. Ich denke aber, genau in diesen 1:25 ist die Lösung für große Teile der Kommunikation versteckt. Warum? Weil Wissenschaft und speziell die Klimawissenschaft eben KEINE Religion ist. Sie wird aber immer wieder von Gegnern dazu gemacht. Seit gestern denke ich recht viel darüber nach und halte es für einigermaßen plausibel, dass viele Menschen (bitte: Nicht alle!!) so sehr daran gewöhnt sind, dass unsere Welt in einem mehr oder minder absurden Konstrukt von Religion, Schuld und Sühne verhaftet ist, dass wir alles automatisch darin einordnen. Gerade religiöse Menschen scheinen oft auch genau diese Thadeusz-Wahrnehmung zu haben. ‚Ihr wollt unseren Gott nehmen und ihn durch Natur ersetzen.‘ Und vielleicht ist das nur meine Bubble so, aber ich habe schon das Gefühl, dass es eine gewisse Korrelation zwischen Klimaschützern (meist eher rationale Menschen) und Atheismus gibt. Nun treffen diese Sachargumente auf Menschen, die eher in einer mehr oder minder religiös angestrichenen Denkweise behaftet sind. Und die erkennen ja auch vieles wieder. Gerade im Katholizismus gibt es viele Strömungen, die (und ich möchte jetzt die historischen Gründe hier gar nicht beleuchten, die waren meist zutiefst weltlich) das Leid in dieser Welt als erstrebenswert ansehen, um in einem späteren, ewigen Leben, dann gut zu leben. Und am Ende ist auch die Apokalypse eines Klimakollaps’ in der Religion zu finden. Denn wenn man scheitert ist das eben die Hölle. Nur mit dem Unterschied, dass die religiöse Hölle immer individuell ist, während die Klimakatastrophe eine kollektivistische ‚Strafe‘ (eigentlich natürlich: Folge) ist. Andererseits aber kennen wir die ja auch. Erbsünde, Sintflut etc. betrafen ja alle. Ganz unabhängig vom Grad der individuellen Schuld. Ich will jetzt hier nicht über Sinn und Unsinn religiöser Konstrukte reden. Wer mich kennt, weiß ohnehin, wie ich das sehe. Mir geht es darum, dass ich das Gefühl habe, dass von Vielen die Klimakrise als ein Konkurrenzglauben gefühlt wird. Nicht rational, sondern emotional. Eben gefühlt. Und ich habe das Gefühl, wenn ich auch die Emotionalität der Reaktionen sehe, dass die Menschen genau das als größtes Gegenargument sehen. Nicht umsonst ist es das Erste Gebot: Du sollst keine Götter neben mir haben. Dabei ist es, also Klimaschutz, weder Religion noch Gott, sondern einfach Sachzwang.

Schöne Bilder verfangen nicht, sie sind Teufelswerk

Und in der Folge verfangen auch die schönen Bilder nicht, die gezeichnet werden. Wir sind in eine Religiösen Duktus gefangen und der zeigt uns, dass das Leben im Diesseits Mühsal ist. Ergo können die schönen Bilder nur eine Lüge sein. Denn uns wurde religiös immer verkauft, dass dem so ist. Wenn Klimaschützer und progressive Menschen eine Zukunft ruhiger, grüner (also im Sinne von „begrünter“) und sauberer Städte malen, wenn wir von nachhaltiger, billiger und fast unbegrenzt vorhandener Energie reden, wenn wir einmal die Investitionen und Umbauten gestemmt haben, wenn wir davon reden, dass wir problemlos alle Menschen versorgen können, und das von der Hälfte der globalen Ackerflächen, wenn wir alle mindestens vegetarisch oder sogar vegan leben und der Natur die restlichen 50 Prozent des Planeten zur Regeneration lassen, wenn wir davon reden, dass wir in anderen Wirtschaftssystemen mit viel weniger Mitteleinsatz und auf andere Art mehr Wohlbefinden generieren könnten, dann läuft das ins Leere. Denn solche Versprechungen macht in der Religion nicht Gott. Die macht der Teufel. Gott fordert Enthaltsamkeit. Alles, was Spaß macht, ist Sünde. Alles was das Leben erleichtert, ist Sünde. Du bist gut, wenn Du keinen Sex hast, keine Drogen nimmst, früh aufstehst, keine Partys machst, auf den Knien rutscht und betest. Musik ja, aber bitte getragene Choräle (im Islam sogar meist gar keine) und und und. Partys mit Sex, Drugs and Rock’n’Roll, das ist der Teufel. Also müssen die Versprechungen eine Fehlleitung sein. Der Teufel hält seine Versprechen nicht. Am Ende wartet Chaos und Mühsal, viel schlimmer als auf dem göttlichen Weg. Darum, davon bin ich zunehmend überzeugt, die Angst vor der Rückkehr in die Höhlen, die niemals irgendwer gefordert hat. Es war eine kurze Eingebung, aber ich finde sie mit jeder weiteren Minute des darüber Nachdenkens immer plausibler.

Weiterer Clash of Religions

Noch schwieriger wird das, da wir uns ja ein paar weitere quasireligiöse Konstrukte gebaut haben. Vorneweg die Wirtschaft. Wir müssen nur die Argumente ansehen, die derzeit genannt werden, wenn es um Transferleistungen geht. Die CDU/CSU wettert aktuell gegen das Bürgergeld und es vergehen keine fünf Minuten, in denen nicht irgendein Vertreter der Union in irgend ein Mikrofon seiert, dass um 7 Uhr aufstehen sich ja nicht mehr lohne. Das ist die neue Art des irdischen Mühsal. Und jeder Ausbruch daraus ist Sünde. Es ist egal, was man tut, produktiv ist man nur mit Aufstehzeit 7 Uhr. Eine Welt, die so gebaut ist, dass wir ohne dieses ständige „schaffe, schaffe, Häusle baue“ klar kommen? Die muss böse sein. Dabei könnten wir durch eine Effizienzsteigerung der Arbeit schon heute mit viel weniger Arbeit erfolgreich sein. Wir könnten das, was in den 70er Jahren ein sehr gutes Leben war, heute lockerst mit 20 oder 25 Wochenstunden erreichen. Und das natürlich bei globaler Vollbeschäftigung. Wir könnten umverteilen auf eine Reichtumsverteilung von damals und uns ansonsten den schönen Dingen des Lebens widmen. Wir hätten dann vielleicht ein Auto pro Familie – oder gar keins und dafür funktionierenden ÖPNV und tolle Radinfrastruktur. Wir würden kein Fleisch essen, aber tolle Gerichte aus pflanzlichen Alternativen, die aber genauso oder sehr ähnlich schmecken. Wir würden vielleicht nicht auf die Malediven fliegen, aber vielleicht mit einem europaweiten Magnetschwebe-Schnellnetz in fünf Stunden ans Mittelmeer schweben. Wir hätten keine riesigen Löcher, aus denen Kohle gebaggert wird, sondern Dächer mit PV, Windparks On- und Offshore und so weiter. Klar hat auch das Nachteile. Ja, Windräder sind schwierig für den Milan, aber wir könnten ja einfach nach Lösungen suchen. Notfalls statten wir die mit irgendwelchen Halsbändern aus, die sie von Windrädern vertreiben oder was weiß ich. Bei Schwachsinn wie E-Fuels und Heiz-Wasserstoff wird „Technologieoffenheit“ gefordert. Hier aber fehlt jeder Glaube an Lösungen. Und selbst WENN der Milan daran ausstürbe: Das wäre bedauerlich, ja. Aber ob er eine Welt mit eskalierender Klimakrise überleben würde ist mindestens fraglich. Also vielleicht wäre es EIN Opfer um damit Millionen zu verhindern. Aber das nur am Rande. Irgendwie so ne Art modernes Trolley-Experiment, das bei mir an derer Stelle in ähnlichem Kontext schonmal Thema war. Der Punkt ist: Wir müssen auch unser Wirtschafts- und Finanzsystem mal rational beleuchten und nicht als gegeben voraussetzen. Auch das steht nicht über aller Kritik. Wir dürfen nicht religiöse oder quasireligiöse Gefühle wichtige rationale Entscheidungen beeinflussen lassen.

Lasst uns rationale Dinge rational betrachten

Was uns diese Erkenntnis bringt? So weit bin ich noch nicht. Müssen oder können wir die Kommunikation verändern? Müssen wir betonen, dass es eben KEINE Sekte, KEIN Glaube, KEINE Sache ist, die man akzeptieren kann – oder es lassen? Tun wir das nicht längst? Haben wir gegen diese quasireligiöse Wahrnehmung, die sich per Definition jeder Art von Evidenz entzieht, überhaupt eine Chance? All das weiß ich nicht. Und natürlich sind die phänotypischen Erscheinungsbilder wie erwähnt ähnlich. Es gibt die persönliche Schuld, es gibt die „Klimahölle“ in die auch die kommen, die nicht daran glauben. Es gibt eine höhere Instanz, die sich jeder Diskussion entzieht. Hier eben kein denkendes Wesen, sondern die Naturgesetze. Es gibt sogar die Kollektivschuld und natürlich auch eine Art Bekehrungseifer. All dies sind Dinge, die wir bisher nur aus der Religion kannten. Heute sind sie aber rational begründbar. Die Naturgesetze können wir messen. Die Folgen von Treihausgasen können wir berechnen. Und das unterscheidet eben Klima von Glaube. Die Evidenz. Für Gott, Allah oder wie sie alle heißen gibt es nur einen Beleg: Ein Buch oder eine Überlieferung. Und viel, viel Psychologie. Es mag Gotteserfahrungen geben, aber es gibt schlicht keine Möglichkeit, jemandem wie mir stichhaltig einen Beweis für eine dieser Gottheiten zu liefern. Zumal die Menschheit rund 3000 Gottheiten erfunden hat. Praktisch jeder heute lebende Mensch lehnt davon 2999 ab. Ich halt einen mehr. Sobald mir jemand Gott zeigt, ein Bild ob Radiometrisch, per Infrarot- oder Roentgenaufnahme, was weiß ich, eines Wesens irgendwo, eine nachvollziehbare Evidenz, bin ich an Bord. Versprochen. Aber vielleicht sollten wir das dann beim Klima ebenso halten. Es gibt die Beweise und es gibt die Lösungswege. Und sie können, richtig angewandt, unser aller Leben schöner, sicherer, sogar entspannter machen. Hören wir auf mit der irdischen Mühsal und bauen wir gemeinsam eine Welt im diesseits, die ohne diese Konzepte auskommt. Götter tun es nicht. Sonst wäre das irgendwann in den vergangenen paar Tausend Jahren doch passiert, oder?! Gebetet wurde dafür nun wirklich genug. Es gibt keine Klimareligion, es gibt nur Daten, Zahlen, Konsens und Konzepte für eine bessere Zukunft. Rein sachbasiert. Hören wir endlich auf, so zu tun als sei die Welt, die Gesellschaft, in der wir leben so toll, dass man daran bloß nichts verändern dürfte. Wir haben Armut – auch in Deutschland. Wir haben weit mehr als die Hälfte der Menschen global in Armut. Glück entscheidet darüber, ob man im Überfluss lebt oder im Mangel. Und die Chancen für Mangel sind ungleich größer. Das ändern zu wollen ist nicht im eigentlichen Sinne links. Es ist ein Imperativ von Ethik und vor allem ist es einfach – wie Moritz Neumeier sagt – logisch. Ich glaube, wenn wir das mal endlich auf breiter Front verstehen, wenn wir WIRKLICH Sachdiskussionen führen, dann sind wir ein ganzes Stück weiter. Und dann kommt Maja Göpel wohl auch mit deutlich weniger Puls durch ihr nächstes Interview, als durch das mit Thadeusz…

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