Vor fast genau drei Jahren, zum damaligen CSD, habe ich an dieser Stelle einen Beitrag mit dem Thema „Warum der Christopher Street Day so wichtig ist“ geschrieben. Jetzt hatte ich am Samstag einen Artikel in der Rheinischen Post. Inhalt war, dass es vermehrte Übergriffe auf Menschen gibt, die der LGBTQIA+-Community angehören. Ein relativ ausformuliertes Beispiel war eines zweier Jungs, die seit eineinhalb Jahren ein Paar sind. Sie waren vor gut einem Monat gemeinsam feiern und wollten dann eine Pizza holen. Also sind sie, so berichten sie, händchenhaltend in eine Pizzeria gegangen. Dort waren dann einge Männer, die sie angingen und meinten, so berichten sie, für „Schwuchtel“ gebe es dort keine Pizza. Als sie trotzdem bestellten, seien sie übel zusammengeschlagen worden. So weit so erschreckend. Im Artikel gibt es Statements weiterer Personen der Community, des LKA und so weiter. Ergebnis: Die Community fühlt sich – körperlich – bedroht. So schlimm das ist, noch schlimmer ist, was da in der Folge auf Facebook passiert. Mal zur Einordnung: Wenn ein Artikel auf der RPKrefeld-Seite bei Facebook 20 Kommentare hat, dann gilt das bei uns als sehr viel diskutiert und sehr interessant. Nun hat dieser Artikel aktuell, eineinhalb Tage, nach dem er gepostet ist, rund 630 Kommentare. Und bei den allermeisten muss ich sagen: Sie erschüttern mich. Was da nicht alles für ein Unsinn geschrieben wird, ist schon hanebüchen. Und sie zeigen eben, wie richtig mein damaliger Artikel war – und dass er offenkundig derzeit wieder noch wichtiger wird.
Ein Potpurri aus Menschenfeindlichkeit, Nazisprech und Postfaktischem
Da findet sich so ziemlich alles, was bei dem Thema zumindest aus meiner Sicht indiskutabel ist. Grundtenor: „Die gehen uns mit ihren Regenbogen so auf die Nerven, sie sind ja selbst schuld“. Und da muss ich sagen: Mir fällt dazu wenig ein. Zunächst einmal muss man ja sagen: Der Regenbogen steht längst nicht nur für LGBTQIA+. Er steht für Integration, für Inklusion, für Frieden, für Frauenrechte, für Menschenrechte insgesamt UND – man könnte sagen „damit auch“ – für Queer-Rechte. Wer sich mit der Flaggenkunde der Szene befasst, wird schnell erkennen, dass es da eine ganze Reihe Farbkombis gibt, die unterschiedliche Teilbereiche repräsentieren. Ja, alle sind recht bunt, aber der Regenbogen ist eben kein exklusives Queer-Symbol. Im Gegenteil, historisch ist er eher ein Friedenssymbol. Und nebenbei, alle Religiös-Konservativen können ja mal Genesis 9, 11-17 nachlesen. Da hat der Regenbogen ebenfalls eine Bedeutung. Und zwar eine für religiöse Menschen sehr elementare. Übrigens in einem Teil der Bibel, den ALLE Abrahamitischen Religionen voll anerkennen. Also Christen, Juden und Muslime! Insofern ist der Regenbogen also eigentlich etwas, das so ziemlich jede/r mitgehen sollte. In den Kommentaren kommen dann auch noch weitere wilde Aussagen. Es wird von psychischer Krankheit gesprochen, die ganze LGBTQ-Szene wird reduziert auf Transpersonen und und und. Und ich stehe davor und denke nur: Was stimmt mit Euch nicht? Wie kann man sich – noch dazu öffentlich – so menschenverachtend äußern?
Wenige Informationen, dafür umso mehr Meinung
Besonders frappierend ist dabei eine weitere Zahl. Während nämlich eine gewisse Zahl Personen (wobei viele natürlich mit einer Reihe Beiträgen beteiligt sind) sehr viel Meinung zu der Thematik haben, haben sich offenkundig vergleichsweise wenige inhaltlich kundig gemacht. Denn so kontrovers der Artikel offenkundig zu sein scheint, so wenig erfolgreich ist er aus Sicht der Zeitung: zum Zeitpunkt der 630 Kommentare hat er gerade einmal 413 Klicks und 149 engagierte Nutzer. Erstere Zahl bedeutet, wie oft er eben angeklickt wurde, die zweite Zahl sagt, wie viele Personen lange genug drauf waren, um ihn wirklich gelesen haben zu können. Unter meinen eigenen Artikeln der vergangenen zwei Tage ist er damit nur auf Platz vier. Hinter einer entgleisten Straßenbahn, einem Assistenzhund und einem Solobild zur Veranstaltung „Krefeld Karibisch“. Und zwar deutlich! Das heißt also: Die Wahrscheinlichkeit, dass die ganzen Leute, die da negativ kommentieren, mehr als die Überschrift gelesen haben, ist also reichlich überschaubar. Umso überzeugter krähen sie ihre undifferenzierte, menschenfeindliche und zumeist zutiefst unwissenschaftliche Meinung in den Äther.
Die Mär der kleinen Minderheit
Nun wird dort zum Beispiel behauptet, dass LGBTQIA+ nur einen kleinen Teil der Bevölkerung umfasse nur ein Prozent derselben. Tatsächlich ist das grundfalsch. Es gibt unterschiedliche Studien, die sich mit dem Sachverhalt befassen und wie bei jeder Studie muss man ein bisschen ins Studiendesign schauen. Was wird abgeprüft etc. Studien, die zugrundelegen, wer sich selbst der Szene zugehörig fühlt oder sich als LGBTQIA+ identifiziert – und das ist in diesem Kontext die fraglos relevanteste Aussage – varrieren nur leicht irgendwo im Bereich der zwölf Prozent. Nun kann man immer noch sagen: Das ist ja nur gut jede/r Zehnte. So weit so gut. Aber setzen wir das mal ins Verhältnis: Diese Zahl bezieht sich auf die Gesamtbevölkerung. Sicher, bei ganz kleinen Kindern kann man hier noch geteilter Meinung sein, aber generell geht man davon aus, dass es am Ende Anlagen sind, die sich zwangsläufig ausprägen und nichts mit Erziehung oder dergleichen zu tun haben (dazu später mehr). Also kann man überschlägig sagen: Wir reden von zwölf Prozent von über 82 Millionen Menschen. Also zählen in Deutschland rund 9 Millionen Menschen zur Community. Gern wird dieses „kleine Minderheits-Geschwafel“ von Aanhängern einer Partei verbreitet: der AfD. Nun postulieren die für sich ja gern, die Mehrheit zu sein. Man könnte etwas gehässig formilieren: Sie identifizieren sich als die Mehrheit. Schauen wir uns nun das Ergebnis der vergangenen Bundestagswahl – einem großen AfD-Erfolg – an. Von den besagten gut 82 Mio waren nur etwas über 60 Mio wahlberechtigt, von denen wiederum 82,5 Prozent eine Stimme abgegeben haben. Also gut 49 Mio. Davon wiederum haben 20,8 Prozent oder 10,3 Mio der AfD ihre Zweitstimme gegeben. Nun ist 10, 3 natürlich höher als 9, keine Frage, aber nicht sooo substanziell. Warum ist also das eine „gefühlte Mehrheit“, während LGBTQIA+ eine nicht zu beachtende Minderheit ist?! Eine der vielen ungelösten Fragen rund um diese Gruppe. Und hinzu kommt noch: Während bei der AfD die Sichtweise eher so ist, dass die meisten, die sie nicht wählen, sie aktiv ablehnen (gibt es genug Umfragen zu), zeigen wiederum andere Umfragen, dass zwischen zwei Drittel und drei Viertel der Gesamtbevölkerung Themen wie Gleichberechtigung auch von LGBTQIA+-Personen aufgeschlossen bis positiv gegenüber stehen. Die Leute, die es aktiv ablehnen, sind also in Wahrheit die Minderheit. Leider halt eine sehr laute.
Die Mär der zwei Geschlechter
Natürlich kommt in unterschiedlichen Formulierungen auch immer die Aussage „es gibt nur zwei Geschlechter“. Mal ganz davon abgesehen, dass es sich bei dem Artikel um die ganze Community dreht und der Kern die Geschichte zweier schwuler Männer ist und alle vier Zitierten in dem Artikel dieser Gruppe zuzuzählen sind, sie sich also ganz klar als männlich identifizieren und die Aussage in diesem Kontext schlicht irrelevant ist, ist sie überdies auch nachweisbar falsch! Zunächst gibt es sehr deutlich nachweisbar Intersexualität. Also Menschen, die mit männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen geboren wurden, die also z.B. einen Penis und eine Gebärmutter haben. Es gibt eine Familie, ich meine in Mexiko, bei der alle Kinder als phänotypische Mädchen zur Welt kommen und in der Pubertät bildet sich ein Penis aus und sie werden Männer (entwickeln auch keine Brüste, dafür Bartwuchs etc.). Es gibt den belegten Fall einer Frau in Kroatien, die phänotypisch klar Frau ist und ein Kind zur Welt gebracht hat. Ich weiß nicht mehr genau warum, aber rund um die Geburt wurde bei ihr ein Gentest gemacht und sie hatte genetisch XY-Chromosomen. Und und und. Der Punkt ist: Unsere Gene bestimmen nicht unmittelbar, welche Körper wir ausformen, sondern sie scheinen in dieser Hinsicht vor allem die Ausbildung von entsprechenden Hormonen im Embrionalstadium zu steuern. Und DIE wiederum legen fest, wohin sich die Zellen dann entwickeln, welche der beiden Erbinformationen abgerufen und umgesetzt werden. Beide Informationen sind genetisch codiert. Denn man hat ja auch einen vollen Coromosomensatz der Mutter und des Vaters. Ich bin jetzt nicht ganz sicher, ob es möglich ist, dass ein Kind mit XX-Chromosomen männliche Eigenschaften ausbildet, also einen Penis zum Beispiel, und ob die Infos nicht nur auf dem Y-Chromosom stehen, aber der Punkt ist: Die hormonelle Ausstattung in der Schwangerschaft legt in letzter Konsequenz das Geschlecht fest. Egal, woher die Hormone kommen: Von der Mutter, vom Kind oder von äußeren Einflussen. In diesem Kontext werden übrigens Weichmacher in Kunststoffen diskutiert, weil sie ähnlich wirken wie Östrogene. Und wenn diese Hormone während der Schwangerschaft variieren, ist es eben möglich, dass sich beides aubildet. Die Sache ist: Stammesgeschichtlich haben sich Säugetiere, zu denen die Menschen zählen, aus Tieren entwickelt, aus denen sich auch die Echsen entwickelt haben. Aus den gleichen Usprüngen sind beispielsweise Schildkröten und Krokodile hervorgegangen. Bei denen weiß man, dass das Geschlecht nicht genetisch festgelegt wird, sondern durch die Temperatur während der Brutzeit des Eis. Heißt also: Gene können je nach äußeren Einflüssen eben mit gleichem Satz beide Geschlechter ausbilden. Und natürlich können sie dann auch Teile beider Geschlechter ausbilden. Die Aussage ist also belegbar falsch. Und ja, offenbar wird auf ähnlichem Wege auch die geschlechtliche Identität, also das soziale Geschlecht, festgelegt. Es gibt Menschen, die so fest ein geschlecht empfinden und das andere phänotypisch haben, dass sie eben diesen ganzen Stalps einer Geschlechtsumwandlung auf sich nehmen. Das ist nunmal ein Fakt. Bis zu zwei Prozent der Menschen zählen zu diesen Gruppen der in irgendeiner Form nicht binären Menschen. Eine gern genutzte Parallele ist: 73 Prozent der Atome im Universum sind Wasserstoffatome, weitere 25 Prozent sind Helium. Unser ganzes Leben beruht auf Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und anderen „Metallen“ im astronomischen Sinne (also alles, was schwerer als Helium ist). Wenn es nur zwei Geschlechter gibt, git es analog auch nur Wasserstoff und Helium und mithin kein Leben, eine Menschen. Dumm gelaufen.
Die Mär der Erziehung zur LGBTQIA+
Nun ist ein weiteres Argument das „was tun die mit unseren Kindern“? Also mal ganz davon ab, dass mir tausend Mal lieber ist, mein Sohn wird von einer Dragqueen beeinflusst und später selbst zur Dragqueen (wobei das ja reines Cosplay ist und mit sexueller Orientierung oder so schlicht nix zu tun hat) oder er lebte mit Schwulen und würde schwul, als wenn er mit Rechten zu tun hat und Rechts wird, ist das auch einfach Unsinn (naja, bei den Rechten wäre das möglich, denn im Gegensat zu allen LGBTQIA+-Sachen ist DAS eine Wahl. Ich kann aktiv wählen, kein Arschloch zu sein!). Ich persönlich hatte z.B. mehrfach in meinem Leben die Situation, dass ich Frauen getroffen habe, die mich geliebt haben und tolle Menschen waren. Ich habe mir sehr gewünscht, sie zu lieben, aber ich konnte es nicht. Es hat mich nicht getriggert. Andererseits habe ich mich in Frauen verliebt, bei denen das objektiv eher semi-gut war. Will sagen: Ich kann nicht steuern, in wen ich mich verliebe. Und ich könnte es noch so sehr wollen, ich könnte mich nie in einen Mann verlieben, weil ich halt diese Neigung nicht habe. ABER das gilt eben auch für die andere Seite. Wer schwul ist, der ist schwul (lesbisch, bi etc). Woher diese Anlagen kommen ist – zumindest meines Wissens nach – nicht abschließend erforscht. Was man aber weiß ist, dass man niemanden „verschwulen“ kann. Es gibt genug Kinder, die von schwulen Paaren aufgezogen wurden und hetereo sind. Gleiches gilt für lesbische Paare und so weiter. Übrigens gab es Zeiten, im Antiken Rom und Griechenland, in dem Homosexualität an der Tagesordnung war. Es gehörte dazu. Alexander der Große und so sind nachweislich mit Männern ins Bett gegangen. Es wurde nicht die ganze Gesellschaft „verschwult“ und starb aus. Und auch aus dem Tierreich ist Homosexualität gut dokumentiert. Es ist also ganz offensichtlich keine „neumodische Sache der woken Bubble“, sondern etwas, das in vielen Menschen (und Tieren) schlicht drin steckt. Ein Kind, das eine Dragqueen trifft, bekommt vielleicht Spaß daran vermittelt, sich zu verkleiden. Sonst aber auch nix. Es wird weder homosexuell werden, noch seine geschlechtliche Identität wechseln können. Und hier sind wir beim wohl kontroversesten Thema dieses Bereichs: Transsexualität.
Transsexualität und die vielen Märchen
Wer beispielsweise diese unsägliche Alice Weidel hört, wie sie über Transpersonen redet, der mag denken, das sei alles… eine Laune. Das absurdeste ist ja, dass angeblich Männer sich umoperieren lassen wollen, um in eine Frauenummkleide gehen zu dürfen. Das wäre doch verdammt viel Aufwand, Kosten, Schmerzen und – wenn man sich als Mann identifiziert – Verlust des eigenen Körpers, um ein paar nackte Frauen zu sehen. In Zeiten öffentlicher Saunen und eines Internets, das einen an jeder Ecke mit Pornografie zumüllt, müsste man schon reichlich behämmert sein, so nen Stunt auch nur für drei Sekunden anzudenken, geschweigedenn umzusetzen. Und es gibt noch einige andere Dinge in dieser Hinsicht. Aber ich kann nur jedem raten, sich mal mit Transpersonen wirklich auseinander zu setzen. Ich habe mal mit einer jungen Transperson einen Artikel gehabt. (Als Personalpronomen nutz ich jetzt „sie“, aber das bezieht sich auf „Person“, also Transperson. Denn eigentlich möchte Sascha als „er“ bezeichnet werden. Aber das war auch etwas hin und her und Unsicherheit. Darum eben das „die Person“). Ein wahnsinnig starker, mutiger, toller junger Mensch. Geboren als Frau fühlte sie sich ab der Pubertät total unwohl in ihrer Haut, erzählte, sie habe unter der Dusche gestanden, geweint und sich Brustkrebs gewünscht, damit die Brüste abgenommen werden (was sie sich sonst nicht leisten konnte). Man muss nur mal für nen Moment darüber nachdenken, was das für eine krasse Aussage ist. Sie wünschte sich eine potenziell tödliche Krankheit, um nicht in diesem Körper leben zu müssen! Und entschied, das ändern zu wollen. Und diese Person ist altersübergreifen einer der reflektiertesten Menschen, die ich bis heute kennengelernt habe. Trotz der damals 16 Jahre. Es ist zugleich eine tiefe Verzweiflung und Hilflosigkeit zu spüren gewesen, wie ein unfassbarer Lebensmut, eine lebensbejahende Einstellung. Es hat mich tief bewegt. Nun, das Ding ist, Sascha hat sich nicht ausgesucht so zu sein. Im Gegenteil! Ich kann mich nicht hinein fühlen, wie es sich anfühlen muss, seinen eigenen Körper zu hassen und nicht zu akzeptieren. Ich bin ein ganz normaler, stinklangweiliger CIS-Mann. Und dazu noch weiß, gut gebildet und eigentlich jederzeit meines Lebens selbst in Deutschland im oberen Wohlstandsdrittel gewesen. Ich kann mich nicht rein fühlen, wie es ist als Frau, als MigrantIn, als Transperson oder Homosexueller unterdrückt zu werden. Ich erlebe einzelne Situationen, kriege einzelne Dinge geschildert, bekomme immer wieder mal wie mit einer aufblitzenden Taschenlampe ein Standbild aus diesen Welten. Aber wer zur Hölle bin ich denn, diesen Menschen aus meiner in jeder Hinsicht privillegierten Position erzählen zu wollen, was sie zu empfinden haben?! Also gestehe ich jedem Menschen zu, so zu leben, wie er oder sie oder welches Personalpronomen die Person immer bevorzugt (they/them, was immer), möchte. Was ist daran so schwer? Natürlich nur in dem Rahmen, da nicht andere maßgeblich beeinträchtigt werden. Aber nein, diese Beeinträchtigung beginnt nicht bei „Andere gehen mir auf die Nerven mit Gendersprache. Gut, sie verlangen nichtmal von mir, es zu tun, aber ich will einfach zurück in die 80er“. Am Ende sind wir da nicht zuletzt beim Philosophen John Rawls und dem Schleier des Nichtwissens. Wer es nicht kennt, lest es gern mal nach. Ein sehr tolles Gedankenexperiment.
Conclusio: Viel Sturm in einem sehr kleinen Wasserglas
Was also sagt uns das alles? Und natürlich könnte man noch viel mehr Sachverhalte beleuchten und in allen sind diese Aussagen unter dem Artikel irgendwo im Bereich zwischen falsch/postfaktisch bis schwachsinnig und verfassungsfeindlich einzuordnen. Also, wo führt es uns hin? Am Ende doch zu einem Punkt, an dem einfach jeder den oder die andere(n) akzeptieren sollte, wie der Mensch einfach ist. Und wenn er sich als Kühlschrank oder Föhn identifiziert… es ist sein Leben! Also lasst ihn doch einfach (ihn=den Menschen). Respektiert, wie die Person angesprochen werden möchte – und wenn Ihr das so gar nicht könnt, dreht Euch um und geht einfach gar nicht mit ihr um. Ohne Beleidigung, schon gar ohne handgreiflichkeiten. Ist das wirklich so schwer!? Ist es wirklich nicht möglich, Rawls im Kopf zu haben, auch wenn man NICHT in den anderen Körper hinein muss? Warum kann man nicht dafür sorgen, sich so zu verhalten, dass andere Menschen ein gelingendes, vielleicht sogar glückliches Leben führen können? „Love is a terrible thing to hate“, las ich einst beim CSD auf einem Plakat. Besser kann man es nicht sagen! Und wer vielleicht ein bisschen aufgeschlossen ist: Geht doch einfach mal zum CSD. Schaut es Euch an. Redet mit den Menschen. Ihr werdet überrascht sein, wie viele tolle, spannende, liebe Menschen es da gibt und was es für eine wunderschöne Party ist. Offen, bunt, friedlich. Oh und Ihr könnt total sicher sein, dass niemand Euch anfasst. Abgesehen von den typischen Legenden der runtergefallenen Seife im US-Knast (und das sind dann üblicherweise nichtmal Homosexuelle), hab ich nie von einem Fall gehört, in dem ein CIS-Mann von einem schwulen vergewaltigt worden wäre. Ich bin auch schon mit Freundinnen in eine bekannte LGBTQ-Disko gegangen. Denn sie wollten mal nen Abend haben, ohne angequatscht zu werden. OK, ich wurde zweimal angequatscht. Von einem entfernt Bekannten, der sinngemäß meinte „oh, toll, ich fand Dich schon immer süß, wusste gar nicht, dass Du schwul bist“. Ich hab dann freundlich gesagt, dass ich ihn leider enttäuschen muss und mich für das Kompliment bedankt. Wir haben dann einen Cocktail getrunken, uns sehr nett unterhalten und alles war gut. Beim anderen war es ähnlich locker. Will sagen: Die „Gefahr“ im umgang mit LGBTQ ist deutlich – DEUTLICH – geringer, als das, was jede halbwegs vorzeigbare Frau jeden verdammten Tag ihres Leben mit meinen Geschlechtsgenossen (ich hoffe aufrichtig, dass keine jemals dieses Gefühl bei mir hatte, auch wenn ich Zeiten hatte, in denen ich viel geflirtet habe, ich hoffe, immer respektvoll!) erleben. Unsere Welt hat tausende gravierende Probleme. Kriege, Armut/wirtschaftliche Ungleicheit, Klimakatastrophe, Biodiversätskrise, Nationalismus, Gewalt gegen diverse Gruppen und und und. Regenbogenfahnen, LGBTQIA+ und CSDs sind keines davon. Wenn überhaupt, dann ist der CSD ein Ansatz zur Lösung eines Problems, eben der Ausgrenzung dieses Personenkreises. Und bitte, Ihr selbsternannten Bewahrer des Anstandes, hört auf mit Eurer möchtegern-Feigenblatt-Liberalität. „Ich hab kein Problem damit, wenn sie es unter sich machen“. Wie großherzig. Du bestimmst, dann also, was andere Menschen auf der Straße tun dürfen und was nicht. Du bestimmst, dass es OK ist, wenn Du als Mann Deine Freundin und als Frau Deinen Freund küsst, Händchen hältst und so weiter. Aber wenn beide das gleiche geschlecht haben, ihr Geschlecht wechseln wollen oder was auch immer, dann ist das nicht okay. Dann dürfen sie das, wie großherzig, natürlich in ihren Wohnungen machen, so lange Fenster und Türen geschlossen sind. Das ist keine Offenheit, das ist schlecht verholenes faschistisches Gedankengut. Niemand verlangt von Dir, mit zu kuntschen. Aber in drei Gottes Namen, lass sie sich doch einfach küssen. Vertrau mir, vom zuschauen kriegst Du sicher kein AIDS. Und auch das Abendland wird daran genauso wenig untergehen wie an „Umvolkung“ oder ähnlichem Unsinn. Wenn, dann eher an antidemokratischem, verfassungsfeindlichem Gedankengut wie Deinem!