Am Donnerstag hielt die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch eine Rede im Bundestag, in der sie die Grünen-Abgeordnete Tessa Ganserer scharf angriff, ihr nicht einmal den korrekten Vornamen zugestand und ihr das Recht auf den Sitz im Bundestag absprach, da sie ja über die Frauenquote hinein gekommen sei. Ganserers Weg in den Bundestag sei „ein Schritt zur Abschaffung der Frauen“. Außerdem sei die „Transideologie totalitär“. Sie sei „zwangsläufig totalitär, denn wer so offenkundig die Natur, die Wahrheit, leugnet, der muss die Wahrheit selbst zum Verbrechen erklären und jeden, der die Wahrheit ausspricht, zum Verbrecher“, so sagt die einmal mehr natürlich höchst „progressive“ AfD-Vor“denker“in. Dafür bekam sie viel viel Kritik – auch aus dem Bundestag – aber leider auch sehr viel Zuspruch. Zuspruch sogar aus Kreisen, die eigentlich wenig mit der AfD am Hut haben. Und natürlich hat die ganze Querdenker-Bubble laut „hurraaaaa“ geschrien. Immerhin ist die liebe Trixi ja eine der wenigen aufrechten Kämpferinnen (darf ich das eigentlich so schreiben oder müsste ich „der aufrechten Kämpfer“ sagen? Beleidige ich sie sonst? Gerndern lehnt sie ja ab….). Also schauen wir uns das Ganze mal an.
Die Natur ist leider gar nicht so eindeutig
Die Natur ist also binär. Mann oder Frau. Penis oder nicht. Punkt. Hach, wie herrlich einfach die Welt doch ist. Doof nur, dass das zwar in praktisch allen veralteten Lehrbüchern steht, mit der Realität aber wenig zu tun hat. Wie viele nicht-binäre Menschen es wirklich gibt, das ist derzeit gar nicht ganz klar. Denn es wurde bislang schlicht nicht ausreichend untersucht. Oft war es zum Beispiel so, dass intersexuelle Kinder gleich nach der Geburt operiert wurden oder sogar noch werden. Die Eltern entscheiden sich dann für ein Geschlecht. In einer Welt, in der zum Beispiel in Indien, in weiten Teilen der muslimischen Welt oder China Frauen weniger zählen und die Eltern ständig auf einen Jungen hoffen, ist die Frage, wofür die Entscheidung ausfällt dort wohl eher akademisch. Frauenrechte werden also durch den Status Quo eher nicht gefördert. Noch schwieriger ist es bei trans Personen (Das soll übrigens wirklich so geschrieben werden. Trans ist ein Adjektiv, das einfach den Menschen beschreibt.) Dabei handelt es sich um Menschen, deren geschlechtliche Identität nicht der des Körpers entspricht, in dem sie geboren wurden. Sie fühlen sich in diesem Körper, in dieser sexuellen Einordnung falsch. Ich persönlich kann mich da, wie der größte Teil der Gesellschaft, nicht hinein denken. Ich bin in der glücklichen Position, ein weißer, heterosexueler CIS-Mann zu sein. Jackpot! Fast überall auf der Welt stehe ich an der Spitze. Ich werde für nichts ausgegrenzt. Hey, ich bin sogar Rechtshänder! Heißt: Weder wurde mir meine Händigkeit aberzogen (OK, dafür bin ich vermutlich ohnehin zehn Jahr zu jung – mehr aber auch nicht), noch wurde ich sexuell diskriminiert. Nicht für meine Hautfarbe, nicht für meine Religion oder sonst etwas. Trans oder intersexuellen Menschen geht es da ganz anders. Sie werden meist gar nicht als das, was sie sind wahrgenommen. Andere werden belächelt oder offen verspottet. Nur weil sie sind, wer sie eben sind.
Liberal ja – aber nur wenn es MEINE Liberalität ist
Und da sind wir beim Problem: Wir leben in einer Gesellschaft, die zutiefst normativ ist. Und das betrifft viele Bereiche. Wir sind natürlich CIS-Normativ. (CIS bedeutet, dass die empfundene sexuelle Identität mit der im Geburtspass und des Körpers übereinstimmt). Wir sind hetero-normativ. Wir sind aber zum Beispiel auch maskulin-normativ. Das betrifft viele Bereiche. Zum Beispiel auch die Sprache. Das Gegenteil von maskulin-normativer Sprache ist eben die gendergerechte Sprache. Die ist sicher hier und da sperrig – das bestreitet (fast) niemand. Aber sie ist eben gerecht. Übrigens erstreckt sich die maskulin-Norm auch beispielsweise auf die Medizin oder auf Crashtests. Kein (in dem Fall physischer) Mann zu sein ist deshalb hier und da gar nicht so ungefährlich. Aber das nur nebenbei. Und so nähern wir uns dem Problem an, das Kleingeister wie von Storch haben: Sie wollen – oder können – nicht umdenken. Entweder sind sie zu verstockt oder sie bekommen es intellektuell gar nicht auf die Kette. Gibt es beides. Ganz deutlich wird das ja bei der AfD. Freiheit für alle, wir dürfen nicht eingeschränkt, nicht in unserer freien Entfaltung begrenzt werden, wenn es z.B. um Corona geht. (Und hier geht es jetzt grad gar nicht darum, zu diskutieren, welche Maßnahmen in der Tat sinnvoll sind, oder nicht). Dabei geht es schließlich um „meine“ Freiheit. Da ich (also in dem Fall jetzt v.Storch und ihre GeistesgenossInnen) aber nun einmal eine CIS-Person bin, interessiert mich eine andere Freiheit halt nicht die Bohne. Die Freiheit von Non-Binary-Personen, die möglicherweise mich dazu zwingen, von meinen gewohnten Denkschemata abzugehen? Das ist dann wirklich zu viel verlangt. Am Ende bin ich ja hier das Opfer, denn der Gender-Totalitarismus schränkt mich ja in meiner Freiheit ein, das doof zu finden. Dabei ist die ja im Prinzip sogar unbenommen. Doof finden kann ich was ich will. Nur sollte ich halt einfach zumindest die Klappe dazu halten. Ist das schon zu viel verlangt?
Ein Steinchen im großen Opfergetriebe
Aber generell ist es ja auch so, dass das für die AfD Programm ist. Man will zurück in die „bequeme Zeit“ der 50er. Noch 20 Jahre weiter wäre möglich, will ich hier jetzt aber nicht vorwerfen. Aber man wird doch wohl noch die gute alte Zeit leben dürfen. Als Männer noch Männer waren und Frauen noch Frauen (natürlich am Herd und ansonsten still – auch wenn Mann Sex will. „Nein“ ist da doch sehr aufmüpfig). Als Deutsche noch Deutsche waren und alle anderen nur „Ausländer“. Als es gut – den Westen – und Böse – den Osten – gab. Als LGBTQ*-Personen halt eingesperrt wurden. Ich musste mich nicht damit befassen. Es gab keinen Umweltschutz, schon gar keinen Klimaschutz. Ich musste nur sehen, dass es mir und meiner Familie besser geht. Das Problem ist aber: Diese Ideologie beruhte nicht zuletzt darauf, dass es eine Notwendigkeit war. Bis tief ins Wirtschaftswunder hinein war es normal, dass man in Deutschland – zumal im Rest der Welt – durchaus das Problem hatte, was es am Abend zu essen gibt. Besonders, aber längst nicht nur, bei Ostvertriebenenfamilien. Wohnungen mit eigener Toilette hatte längst nicht Jeder. Oder mit ausreichender Heizung. Dazu habe ich aus der Familie durchaus eindrückliche Schilderungen bekommen (wenn auch wenige). Man hatte schlicht gar keine Zeit, sich mit moralischen Problemen zu befassen. Und wenn doch, dann waren sie in der Güterabwägung eben durchaus verständlicherweise geringer gewichtet, als das Essen für die Kinder, der Job des Vaters und die eigene Wohnung. Aber heute? Wir haben keine unmittelbaren Sorgen. Bei aller Kritik am System: Selbst Hartz IV-EmpfängerInnen haben im Normalfall ein Dach über dem Kopf und Essen für jeden Tag. Da haben wir doch durchaus die Möglichkeit und mithin auch die moralische Pflicht, einmal über den Tellerrand zu schauen! Und hier sollte man sich doch mal überlegen, was man täte, wenn man selbst betroffen wäre. Was, wenn ich selbst mich fühlen würde, als zwänge mich jemand von außen, jeden Tag ein Kleid anzuziehen, mich zu schminken, eine Hochsteckfrisur und Ohrringe zu tragen? Würde ich mich wohl fühlen? Was, wenn von mir erwartet würde, mich sexuell zu Männern hingezogen zu fühlen, was ich nun einmal nicht bin? Natürlich ist eine trans Identität hier genau gegenteilig, aber das ist nun einmal der Vergleich, den ich dann ziehen muss. Also: Was, wenn ich von außen gezwungen würde, zu leben wie eine Frau, mich aber als Mann fühle? Nun habe ich das Glück, dass ich den passenden Körper bekommen habe. Aber das haben eben nicht alle.
Mal ein bisschen Wissenschaft zur Abwechslung
Aber für wie viele Menschen gilt das? Nun, tatsächlich habe ich keine großen Untersuchungen zu dem Thema gefunden. Auch die Krefelder Queer-Politikerin Emma Sillekens, die sich ganz diesem Thema verschrieben hat und selbst der LGBTQ*-Szene angehört, konnte mir nicht helfen. Das Beste, was ich in der Tat gefunden habe, ist eine Einschätzung der Universität Freiburg, die aber schon mehr als zehn Jahre alt ist. Dort wird von der Biologin Anne Fausto-Sterling gesprochen, die von rund 1,7 Prozent der Menschen ausgeht, die Intersexuell geboren wurden, also Geschlechtsmerkmale von Männern und Frauen haben. Hinzu kommen dann noch die trans-Personen. Diese haben einen rein männlichen oder weiblichen Körper, empfinden sich aber eben gegenteilig. Hierzu gibt es noch weniger Zahlen. In einer großen ZEIT-Vermächtnisstudie, einer repräsentativen Befragung, sei herausgekommen, dass 2,1 Prozent der Menschen nicht binär seien, steht in dem Text der Uni. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: 2,1 Prozent. Das würde bedeuten, dass in jeder Schulstufe einer normalen dreizügigen Schule mit rund 100 SchülerInnen pro Stufe zwei Non-Binary-Personen zu finden sind – PRO STUFE. In jeder! Macht für eine normale Schule mit vier Klassen in der Grundschule dann acht Kinder, für ein Gymnasium im G-9 ganze 18. Auf ganz Deutschland würde es bedeuten, dass rund 1,6 Millionen Menschen nicht binär wären. „Und diese Zahlen sind eher konservativ geschätzt. Die Vermutungen gehen sogar noch höher“, sagt Sillekens. Es ist also durchaus nicht so, dass hier eine Hand Voll Menschen betroffen sind, die „sich nicht so anstellen sollen“. Doch woher kommt das? Wir haben doch gelernt: XX-Chromosomensatz gibt eine Frau, XY einen Mann. Was kann da schief gelaufen sein? Nun, hier sind wir voll in der Epigenetik. Gene sind eben nicht immer aktiv und viele Faktoren können ihre Aktivität steuern. Unter anderem Hormone. Und hier geht die Wissenschaft aktuell davon aus, dass die hormonelle Ausstattung der Mutter in der Schwangerschaft eine entscheidende Rolle spielt. Es kann also sein, dass die Mutter einer Tochter irgendwann in der Schwangerschaft zu viel Testosteron im Blut hatte. Das kann unterschiedliche Ursachen haben, körpereigen sein oder fremd zugeführt. Bei Jungs wäre das analog der Östrogenpegel. Interessant ist hier: Verschiedene Weichmacher wie Bisphenol A agieren im Körper wie Östrogen. Nun, das Thema ist noch nicht abschließend untersucht, aber Fakt ist: Es gibt intersexuelle Menschen ebenso wie trans Menschen. Punkt. Und es ist unsere Pflicht als Gesellschaft, ihnen eine faire Lebensrealität zu geben. Am Ende stehen wir hier bei Artikel 1, Grundgesetz.
Die Probleme im Alltag
Dass damit dann Probleme verbunden sind, das ist keine Frage. Erst einmal ist es so, dass ich die Empfindungen eines Menschen nicht objektivieren kann. Es hat ja auch Gründe, warum es kein Problem ist, wegen eines eingewachsenen Fingernagels einen gelben Schein zu holen. Wenn ich aber eine manisch Depression und in dieser einen Schub habe, ist das ungleich schwerer – obwohl diese Erkrankung in bis zu 30 Prozent der Fälle tödlich endet. Wenn wir hier nicht in der Lage sind, wirklich gute gesellschaftliche Antworten zu finden und Verrat und Betrug wittern, wie soll das erst bei einem empfundenen Geschlecht sein? Und in einem Punkt hat v. Storch dann sogar nicht komplett Unrecht: Beispielsweise im Sport ist das ein sehr problematisches Thema. Physische Frauen, die bei Männern starten, das ist unkritisch für Andere. Die Frage ist da vielleicht: Sollten sie mit mehr Testosteron dopen dürfen? Aber wer als physischer Mann oder als intersexueller Mensch geboren wurde, der, bzw. dann ja die, hat natürlich in Frauenwettbewerben recht fraglos einen Vorteil. Ich meine, ich habe nie auf Sprint trainiert, aber meine beste jemals gemessene 100-Meter-Zeit hätte zu jener Zeit, bei den olympischen Spielen in Atlanta, zur Endlaufteilnahme bei den Frauen berechtigt. Männliche Körper haben einen höheren Prozentsatz Muskeln. Testosteron ist da schon hilfreich. Und dieser Muskeltonus ist halt auch mit einer Hormonbehandlung nicht komplett reversibel. Eine komplette Öffnung könnte also schnell dazu führen, dass in Disziplinen wie Schwimmen, Laufen oder Radfahren, um nur einige zu nennen, die Rekorde blitzschnell von non-binary-Personen gehalten werden. Das ist natürlich den Frauen gegenüber auch nicht fair. Eine Lösung für dieses Dilemma habe ich nicht.
Fangen wir doch mal beim Einfachen an
Aber der Witz ist: Ich MUSS diese Lösung auch nicht haben. Niemand muss das. Fangen wir doch erst einmal damit an, was ganz einfach ist und klären diese Sonderfälle, wenn wir die einfachen Dinge geklärt haben. Nennen wir Tessa Ganserer – anders als v. Storch – bei dem Namen, den sie heute führt. Und nicht beim Taufnamen, den ihr ihre an einen Jungen glaubenden Eltern gaben. Geben wir Menschen das juristische Recht, ohne eine psychologische Begutachtung, die aus der Veranlagung eine Krankheit zu machen scheint (oder es sogar tut), ihr Geschlecht wählen zu dürfen. Wo ist das Problem? Und wenn wir dann schon dabei sind, dann weiten wir das Ganze doch einfach auf andere Dinge aus. Und da sind wir dann beim größten Schwachsinn der guten Trixi. Sie sagt: Die „Genderideologie“ würde den Feminismus stören und es gäbe ja sogar Feministinnen, die das so sehen. Ja, und es gibt AfD-Mitglieder (wenn auch wenige), die in Bernd Höcke einen Faschisten sehen. Und es gibt Biologen, die an die Schöpfung glauben. Und Physiker, die die Relativitätstheorie für falsch halten. Aber halt wenige. Das beweist nichts.
Ein kleines bisschen umdenken – ist das so schwer?
Von Storch kritisiert, dass Frauen mit der Genderideologie unterdrückt würden – dabei geht es beim Gendern gerade darum, Frauen und LGBTQ*-Personen sichtbar zu machen. Aber ist das so wichtig? Nun, fangen wir mit einem kleinen Beispiel an: Montag hatte ich einen Artikel. Bei der Besetzung hieß es: Du fährst zu Punkt X. Da ist dann eine Person A und „ein Experte vom LANUV“. Als ich hin kam standen dort, neben einem Kollegen, den ich kannte, ein Mann und eine Frau. Ganz selbstverständlich bin ich zum Mann gegangen und fragte. Ob er der LANUV-Experte sei. Süffisant antwortete die Frau „Experten können auch weiblich sein“. In diesem Fall war es nun nicht weiter schlimm, nur etwas peinlich und für die Expertin eben unangenehm. Hätte man mir gesagt, dass es eine Expertin ist – oder „ein(e) ExpertIn“, ich wäre sicher anders an die Sache ran gegangen – ob ich es will oder nicht. Nun, wie gesagt, hier war es kein Drama. Aber stellen wir uns einen anderen Fall vor: Ich bin Polizeipräsident und muss zwei Hundertschaften abkommandieren. Sie müssen für zwei Wochen einen bestimmten Ort bewachen und werden dort einkaserniert. Nun sage ich zum Verantwortlichen für Materialbeschaffung (in dem Fall einem Mann): „Achtung. Du musst für 200 Polizisten alles notwendige für zwei Wochen vorhalten. Kleidung, Ernährung, Hygieneartikel.“ Was wird er besorgen? Uniformen, Socken, Unterhosen, Nahrung, sicher sogar Bier, Seife, Duschgel, Zahnpasta und so weiter. Aber würde er BHs oder Tampons kaufen? Was ist mit Schminkmaterial? Was mit Haarbürsten? Wenn wir mal eine 50-50-Verteilung annehmen, dann hätten in diesen zwei Wochen rund die Hälfte der Frauen, also ganze 25, statistisch ihre Periode. Sie BRÄUCHTEN also Tampons! Das ist doch durchaus relevant? Was ist mit Bewerbungen? Untersuchungen zeigen: Auf gegenderte Anzeigen bewerben sich signifikant mehr Frauen und Mädchen – gerade in klassischen Männerberufen. In der Tat ist die vermeintliche Genderideologie doch nichts anderes, als eine gedenkliche Offenheit. Ich erkenne damit an, dass es Menschen gibt, die nicht sind wie ich. Die keine heterosexuellen, weißen CIS-Männer ohne körperliche Einschränkung sind. Aber dennoch völlig normale Menschen. Nur eben, dass sie Frauen sind (sicher die gängigste Form der „Andersartigkeit“, die immerhin rund die Hälfte der Menschen betrifft), dass sie die geschlechtlichen Merkmale zweier Geschlechter tragen, dass sie eine andere Selbstwahrnehmung haben, als ihr Körper anzuzeigen scheint, dass sie anders lieben, als ich das tue oder sich sonstwie von mir unterscheiden. Wenn wir das dann einmal geschafft haben – und im Vergleich zu vielen anderen Problemen der Welt ist das doch geradezu trivial einfach – dann können wir vielleicht auch Menschen akzeptieren wie sie sind, wenn sie aus einem anderen Land kommen, eine andere Hautfarbe oder Religion haben und andere Feste feiern. Wenn sie eine andere Kultur haben und so weiter.
Walk in the other person’s shoes
In Geschichten zumindest wird immer wieder ein altes Sprichwort indigener Völker zitiert: Wenn Du wissen willst, wer jemand ist, dann lauf eine Zeit in seinen Mokassins. Ob das jetzt real ist oder nicht, aber es trifft den Kern. Nur müssen wir nicht WIRKLICH darin laufen. Wie sollte ich auch einen Tag als trans-Person, intersexueller Mensch, als sonstige Queer-Person oder ganz banal als Frau erleben? Als Ausländer geht es vielleicht noch, wenn ich irgendwo im Ausland bin. Aber als reicher Deutscher werde ich meist doch eher auf einen Thron gehoben. Egal. Nein, das ist nicht der Weg, der mir offen steht. Was mir aber offen steht, das ist der Weg des Gedankenexperiments. Ich kann mir vorstellen, wie es ist, wenn ich mit meiner Partnerin durch die Stadt gehe, sie im Arm halte – was für mich ganz normal und sehr schön ist – und dafür von den meisten Passanten Blicke ernte, die zwischen peinlich berührt und angewidert oder sogar hasserfüllt sind. Ich kann mir vorstellen, wie tief die Verzweiflung sein muss, wenn ich weiß, es gibt den Weg, eine gefühlte Identität mit meinem Äußeren in Einklang zu bringen, und mir das verwehrt wird. Oder wenn mir, lange bevor ich eine bewusste Entscheidung treffen durfte, ein Teil meiner selbst – ein Penis oder eine Gebärmutter zum Beispiel – weggeschnitten wurde, weil ich intersexuell bin. Oder, noch extremer, wie es sich anfühlen könnte, eingesperrt, gequält und gefoltert zu werden, nur weil ich mich in eine bestimmte Person verliebt habe und diese Liebe, die erwidert wurde, ausleben wollte. Oder wie es ist, zusammengeschlagen zu werden, ohne je etwas getan zu haben. Und ich kann mir auch vorstellen, wie es ist, für die gleiche Arbeit weniger Geld zu bekommen, nur weil ein paar Zentimeter zwischen den Beinen fehlen, wie es ist, ständig als Freiwild gesehen zu werden, ständig belästigt, begrabscht und vielleicht vergewaltigt zu werden (und das passiert viel mehr Frauen, als man gemeinhin denkt). Oder wie es ist, wenn ich eine tolle Idee äußere, die nur belächelt wird und eine Stunde später ein männlicher Kollege die gleiche Idee etwas umformuliert und dafür in den Himmel gelobt und befördert wird. Dafür braucht es gar nicht so viel. Und mich entsprechend zu verhalten ist gar nicht so kompliziert. Und ja, dazu gehört auch Sprache. Sprache ist die Software unseres Denkens. Und wenn wir uns weigern, Frauen in der Sprache vorkommen zu lassen, wenn wir uns weigern, trans Personen bei ihrem heutigen, richtigen Namen zu nennen, wenn wir uns weigern intersexuelle Menschen als das zu sehen, was sie sind: Ein drittes Geschlecht mit vermutlich rund 1,7 Prozent Vorkommen, dann kommen diese Menschen eben in meinem Erleben, in meinem Denken, nicht vor. Ich kann nichts denken, wofür ich keine Worte habe. Und ich denke es nicht, wenn ich die Worte, die ich habe eben nicht denken will. Darum ist Gendern keine Ideologie, keine „Vergewaltigung der Sprache“, wie speziell (aber nicht nur) alte, weiße Männer gern behaupten, sondern es ist progressiv. Es ist ein weiterer Schritt darin, allen Menschen gleiche Rechte, gleiche Freiheiten und die Chance auf ein gelingendes Leben zu bieten. Und das ist doch nun wirklich nicht so schlimm, oder? Und genau das sollten sich Trixie und alle die ihr zugestimmt haben, mal überlegen. Denn eins dürfte klar sein: Die Welt dreht sich nicht nur um Euch!
Genau. Die Welt dreht sich nicht nur um die „Abnormen“.
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Also, ich hab jetzt lange nachgedacht, ob ich Deie Kommentare hier zulasse. Generell bin ich sehr für Offenheit und auch andere Meinungen. Allerdings bin ich ein Gegner von Beleidigungen, Abwertungen und persönlichen Angriffen, egal, ob gegen Individuen oder Gruppen. Am ende sind wir hier eben im Toleranz-Paradoxon. Toleranz gegenüber Intoleranz führt in der Folge zu weniger Toleranz und ist damit eben nicht tolerant. Darum habe ich mich entschieden, hier eine klare Linie zu fahren und nur diesen einen Kommentar hier, mit meiner Kommentierung, zuzulassen.
Generell darf natürlich jeder seine Meinung haben. Wir sind eine pluralistische Gesellschaft. Allerdings ist es eben schwieirig, wenn die eigene Meinung dazu führt, dass andere Menschen in ihrer Entfaltung eingeschränkt werden. Hier ist ein gutes Beispiel:
Natürlich dreht sich die Welt nicht um „die Abnormen“. Aber die Menschen, die anders sind – egal in welchem Kontext – als der große Rest der Welt, haben dennoch ein Recht, ihr Leben zu leben wie sie es wollen. Niemand verlangt von Dir, mit einer Transfrau zusammen zu sein oder sie zu küssen. Du kannst sagen: Sorry, nicht meins. Aber diesen Menschen das Recht abzusprechen, zu leben, sich zu kleiden oder ihre Identität zu wählen, wie sie wollen, dann wird es problematisch.
Nehmen wir einen Vergleich: Kinder machen nur einen verglelichsweise geringen Prozentsatz der Menschen in Deutschland aus. Trotzdem nehmen wir bei vielen Dingen Rücksicht auf sie. Straßen oder Plätze sind so gestaltet – zumindst im idealfall – dass Kinder sich nicht verletzten, nicht in Gefahr geraten und spielen können. ich brauche keine Spielgeräte. Trotzdem würde ich nie sagen: „Kacke, die Welt dreht sich nur um diese Zwerge“. Ich finde es toll. Natürlich sollen Kinder eine Kindgerechte Welt haben. Gleizeitig aber können wir uns eben in anderen Bereichen unsere Welt bauen. Wo ist das Problem? Und bein non-Binary-Persons, oder anderen Gruppen – und seien es eben Frauen und die Gendersprache – ist es genauso. Was ist so schlimm daran? Im schlimmsten Fall verwendest Du sie nicht und gut ist. Aber ich fürchte: Dann kommt das als moralischer Druck rüber. Denn eigentlich WEISST Du ja, dass es falsch ist…. Schwierig, hm?!
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