Von Bücherverbrennung und der Freiheit des Denkens

Hat Dich die Überschrift getriggert? Mancher dachte sich vermutlich „Ja, rettet das edle Werk Karl Mays“. Andere stöhnten geistig auf: „Niemand wollte ein Buch verbrennen. Glaub doch nicht den BILD-Scheiß“. Wohl kaum ein Thema wird derzeit im Internet – und teilweise den Medien – so hoch und runter diskutiert, wie der Rückzug des (neuen) Winnetou-Buches durch den Ravensburger Verlag. Seit Tagen geht es um nichts anderes mehr, als die Frage, ob jetzt Karl May ein Rassist war, oder ein visionärer Menschenfreund. Und die Debatte ist unfassbar emotional geführt. Ist Winnetou in sich positiv oder negativ zu sehen? Werden Indigene abgewertet? Oder werden sie auf einen Sockel gehoben? Vermutlich haben die Posts, die in den vergangenen Tagen zu diesem Thema verfasst wurden, die Energie eines ganzen Atomkraftwerks verbraucht. Die einen sagen: Winnetou ist ein Zerrbild, ein koloniales Klischee. Die anderen sagen: Winnetou hat ein positives Bild der Indigenen gezeichnet, wie nie zuvor. Es war ein Meilenstein der Verständigung zwischen Siedlern und Indigenen. Ich selbst habe in einer Diskussion das Argument gehört, dass man „in der Kindheit Indianer verehrt und ihre Lebenseinstellung adaptiert“ habe. Wohlgemerkt: Einer Kindheit zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Doch was stimmt jetzt?

Erstmal: Es geht gar nicht um Karl May

Zunächst ist hier zu sagen: Es geht nicht um die Karl May-Bücher. Niemand will deren Verkauf stoppen. Vielmehr soll eine Neuauflage, ein Buch über Winnetous Jugend, vom Markt genommen werden. Es geht also nicht um ein Verbot. Auch nicht um eine Bücherverbrennung (wie ich selbst auch überspitzt in einem Post geschrieben habe. Mea culpa!). Vielmehr geht es um ein Unternehmen, das sein Werk nicht mehr verkauft. Das ist erst einmal legitim. Trotzdem tue ich mich, wie ich zugeben muss, ein Stück weit schwer damit. Ich bin generell ein Gegner davon, Bücher irgendwie in der Verbreitung zu verhindern. Ich glaube, man muss Menschen die Möglichkeit geben, sich aus erster Hand darüber zu informieren, wovon sie reden. Und ja, ich meine wirklich alle Bücher. Selbst „Mein Kampf“ oder so. Was habe ich nicht alles darüber gehört! Gerüchte, was nicht alles drin stünde oder nicht. Aussagen, wie schlecht es sprachlich sei und dass es auf dem Niveau eines Grundschülers sei. Und was der Dinge mehr sind. Nun, ich habe aus irgend einer Erbhistorie heraus (ich glaube von meinem Opa, aber ich bin nicht sicher) ein Exemplar. Ich habe es gelesen. Und ich kann mir heute ein eigenes Bild davon machen. Ich will jetzt gar nicht darauf eingehen, was es wirklich ist oder nicht (oder: In meinen Augen). Was ich meine: Ich weiß heute, wovon ich rede. Ich kann wirklich inhaltlich mitreden. Und das ist meiner Ansicht nach wichtig! Und ich denke: Bücher sind immer erst einmal gut und richtig. Man muss sie nur bewerten. Bücher verbieten, den Zugang erschweren oder so, damit habe ich ganz grundsätzlich Bauchschmerzen. Das war meist ein Zeichen von Absolutismus und Unterdrückung. Nicht missverstehen: Ein Buch über den jungen Winnetou ist geschichtlich und vom literarischen Wert her natürlich nicht vergleichbar mit Werken, die in der NS-Zeit verbrannt wurden, die aktuell in den USA in Schulen verboten werden oder mit Werken wie eben „Mein Kampf“. Aber mir geht es hier ganz grundsätzlich um den Wert des geschriebenen Wortes. Ich finde nicht, dass dieses Buch, nach allem, was ich davon gehört habe, gelesen werden müsse. Aber ich finde, es sollte gelesen werden KÖNNEN. Und eine solche Diskussion führt im Endeffekt nur dazu, dass es Neugierde schafft. Irgendwo kursiert ein PDF und es wird verbreitet werden. Vermutlich sogar viel mehr, als es das Buch jemals wäre. Hätte ich das gekauft? Vermutlich nicht. Vermutlich wäre das grottenschlechte Lied „Layla“ ohne die wilde Diskussion längst in der Versenkung verschwunden. So wurde es für die sexistischen Deppen, die es gemacht haben, zur Goldgrube. Wir haben sie also durch die wilde Diskussion dafür belohnt. Und ich wette: Viele Produzenten haben das gut verfolgt. Manchmal wäre ein Schulterzucken wohl einfach besser… Aber zurück zu Winnetou: ja, vermutlich werde auch ich es irgendwann lesen, wenn das Thema bleibt. Einfach, um zu wissen, wovon wir denn eigentlich reden. Aber davon hat sich die Diskussion ja mittlerweile Lichtjahre entfernt. Also: Kommen wir zur Frage:

War Karl May Visionär oder Rassist?

Nun, meiner Ansicht nach ist die Antwort so banal wie offensichtlich: Beides! Wie ist das möglich? Ganz einfach: Seit Karl May gelebt hat sind sogar bei heutigen Wasserständen doch ein paar Tröpfchen Wasser diverse Flüsse runter geflossen. Er ist 1912 gestorben. Alle drei Winnetou-Bücher sind von 1893. Heißt: Der ganze Bums ist gepflegte 130 Jahre her. Und das waren ziemlich entscheidende Jahre! Gerade in den vergangenen 50 Jahren ist in Hinsicht auf Gleichberechtigung und die Akzeptanz anderer Kulturen, eine verdammte Menge passiert. Bücher, die in den 1980ern visionär waren, sind heute, bei Betrachtung mit heutigen Maßstäben, rassistscher, homophober oder sexistischer Scheißdreck. Und das ganze ist innerhalb meiner eigenen Lebenszeit passiert. Karl May ist in einer ganz anderen Zeit groß geworden. Er erlebte in Afrika eingefangene Menschen in Zoos! Damals wurden dunkelhäutige Menschen ganz selbstverständlich als „Neger“ bezeichnet. Es gab nicht einmal andere Worte! Homosexualität war eine Straftat. Etwas später hielt Kaiser Wilhelm II die berühmte Hunnenrede. Und Zeiten wie Holocaust und co. Sollten erst noch kommen. Der Völkermord an den Herrero geschah im 20. Jahrhundert – kurz vor Mays Tod. Indigene, POC oder ähnliche Bevölkerungsgruppen als Menschen zu sehen, die Rechte haben, die lieben, die bewundernswert sind? Das war undenkbar. Sie waren im allerbesten Fall wertvoll wie Nutzvieh. Als das wurden sie auch auf Sklavenplantagen in den USA „gehalten“. Der Sezessionskrieg passierte IN Mays Lebenszeit. Also war Karl May mit dem Bild, das er von anderen Völkern (auch Arabern) zeichnete, für seine Zeit ein Visionär, ein Menschenfreund und unglaublich progressiv. Full stop! ABER: Wenn wir seine Bücher aus heutiger Sicht mit wachen Augen lesen, sind sie halt doch ein koloniales Zerrbild der Indigenen (und anderer Gruppen). Der edle Wilde lernt von seinem besten Freund Charlie was wirklich Kultur ist. Der deutsche Lehrer Klekih Petra ist eine fast heilige Figur ob seines unbändigen Wissens. Und mit seinem letzten Atemzug bringt Winnetou die Geschichte zum großen Happy End: „Ich bin ein Christ, Charlie. Arrrrrgghhhh“. Glückwunsch. NATÜRLICH ist das kolonialer Schwachsinn. Aus heutiger Sicht ist Winnetou natürlich triefend vor imperialen Klischees. Es ist ein Buch seiner Zeit. Und auch wenn die Indigenen im Endeffekt die Guten sind (wobei: Auch längst nicht alle!!), so repräsentieren sie doch nicht wirklich ein realistisches Bild der indigenen Kulturen. Am Ende haben Winnetou und Lederstrumpf natürlich auch das Bild der Indigenen bei uns geprägt. Und so sind es allein schon wenige Stämme – selbst WENN sie richtig dargestellt wären – die unser Bild prägen. Und das sind fast durch die Bank „Prärieindianer“. Dass die Apachen diesen bei Karl May zugeschlagen werden ist schon fraglich. Denn eigentlich waren sie sogenannte „Pueblo-Indianer“, die vor allem ortsfest und von Landwirtschaft lebten. Das gleiche galt für die „Waldindianer“, oder „Küstenindianer“, die vor allem von Fischfang lebten. Hier können wir uns noch grob die Lebensweise der Inuit ansehen, die zwar in extremen Regionen aber doch in diese Richtung leben. Man sieht: Mays Sicht auf die Indigenen war visionär für seine Zeit. Aber eben nicht auf einer absoluteren Skala, respektive aus heutiger Sicht.

Beurteilung ist immer relativ

So, und da sind wir beim Problem. Ein Visionär des Jahres 1900 oder kurz davor ist eben 2022 eher rückständig. Vergleichen wir das doch mal mit der Technik. Selbst die größten Träumer dieser Zeit sind technologisch heute total veraltet. Jules Verne hat Dinge konzipiert, die sicher visionär waren. Und einiges davon hat sich bewahrheitet. Aber erstens ganz anders als von ihm vorhergesehen und zweitens konnte er sich Dinge wie eine komplett vernetzte Welt, wie künstliche Intelligenz oder Probleme der Klimakatastrophe schlicht nicht vorstellen. Es gab halt weder Computer noch globale Telefonnetze noch Satelliten oder Klimawissenschaften. Ähnlich ist es bei gesellschaftlichen Themen. May war für den Wissensstand seiner Zeit unfassbar progressiv. Er war vielleicht auf dem Stand der 1970er. Aber die waren im Rückblick in weiten Teilen zutiefst rassistisch (und vieles andere wie z.B. homophob). Und uns wird es mit unseren Ansichten in 100 Jahren (hoffentlich) ebenso gehen.

Bücher lesen ist OK, Bücher in dem Stil schreiben weniger

Und hier finden wir dann auch die Begründung für die Entscheidung des Ravensburger-Verlags: Es ist vollkommen okay und sogar gut und richtig, die alten Winnetou-Bücher, den Schatz im Silbersee, Old Surehand und so weiter zu lesen. Ebenso wie die May-Bücher, im arabischen Raum wie „Durch’s wilde Kurdistan“ oder so. Nur muss man deshalb nicht aus heutiger Sicht Bücher in dieser Welt, dieser Diktion, diesem Stil SCHREIBEN. Ein heute geschriebenes Buch über den jungen Winnetou ist entweder ein totaler Stilbruch, oder es ist eben ein ziemlich oberflächliches, rassistisches, kolonial angehauchtes Werk, das mit der Realität indigener Menschen wenig zu tun hat. Es ist eben das auslutschen eines Franchises mit dem Ziel, noch ein paar mehr Euros und Dollar raus zu quetschen. So gesehen ist das dann schon kritikwürdig. Ob man daraus den Schluss ziehen muss, die geschriebenen Bücher zurück zu halten und nicht zu veröffentlichen? Das sehe ich wie gesagt zwiespältig. Das Wissen bzw. die Wort sind in der Welt. Und sie werden, wie oben dargelegt, ohnehin gelesen. Da bin ich sicher. Nur vielleicht dann von Menschen, die damit ihr ohnehin schon rückständiges Weltbild bestätigen. Und man gibt diesen damit noch eine recht einfachere Argumentationslinie mit, um sich im Denken nicht umstellen zu müssen. „Winnetou zeichnet doch ein tolles Bild der Indianer. Und die woken Idioten wollen uns Winnetou jetzt verbieten.“ Fun Fact: Will kein Mensch! Und so sehr ich manche Auswüchse der political Correctness kritisiere, weil ich sie einfach dumm finde (vgl. mein Blog „Wenn Klimarettung an einer Frisur zu scheitern droht“), so sehr halte ich es für gut und richtig, zumindest die Fragen zu stellen und die eigene Art zu reden und zu argumentieren zu überdenken. Dennoch: Warum machen wir es rechen Idioten so leicht, Argumente zu finden? Lasst die Bücher doch raus kommen und kommentiert sie entsprechend. Nicht nur im Vorwort, sondern auch in Talkshows, in Kommentaren und in Dokus. Aber unaufgeregt, faktenbasiert und nachvollziehbar.

Filme nicht mehr zeigen? Ich werde manchmal so müde…

Und damit sind wir dann wieder bei Mays Originalwerk. Jetzt hat die ARD entschieden, die Filme, die originalen Winnetou-Filme, nicht mehr zu zeigen. Und das ist dann eine Art der Umsetzung, die ich katastrophal finde. (EDIT: Wie mir gerade mitgeteilt wurde ist das eine Falschinformation. Die ARD hat lediglich vor rund zwei Jahren die Rechte nicht erneut erworben, da die Filme nicht mehr genug Zuschauer banden und die Einnahmen zurückgingen. Es war also eine Betriebswirtschaftliche Entscheidung lange vor der aktuellen Debatte. Das ZDF erwarb die Lizenzen und zeigt die Filme weiter. Ich lasse diesen Absatz dennoch außer diesem Einwurf unverändert, denn generell finde ich die Aspekte wichtig. Außedem finde ich es wichtig, Fehler in solchem Kontext auch entsprechend einzugestehen. Aber noch einmal: ES GIBT KEIN CANELLING DER ORIGINALFILME IM DEUTSCHEN TV. Das war ein Bild-Mythos dem ich leider aufgesessen bin. Auch hier: Entschuldigung!) Wir finden kaum Filme, die mehr als 30 Jahre alt sind, in denen nicht irgendwelche rassistischen oder diskriminierenden Klischees bedient werden. Alle Bonds zum Beispiel – sogar die neusten – sind sexistisch bis zum Knochenkotzen. Selbst bei Goethe oder Schiller taucht dann mal der „Mohr“ in einer bestimmten Rolle auf. Jeder Mensch ist Kind seiner Zeit. Darum können Werke aber eben trotzdem relativ gesehen extrem visionär – oder einfach „schön“, oder „spannend“ oder notfalls einfach nur ein großer Ausdruck des Zeitgeistes sein. Mays Bücher haben ganze Biographien geprägt. Und ich kenne viele Menschen, die so sehr auf die Winnetou-Filme hingefiebert haben, wie in meiner Generation die Leute auf die jeweiligen Staffeln von Game of Thorones, da sie die „Lied von Eis und Feuer“-Bücher verschlungen haben. Oder Jahre vorher die Harry Potter-Filme. Oder die neuen Star Wars und so weiter. Und wer weiß, was Menschen 2070 von diesen Filmen sagen werden? Bei aller Kritik, die ihnen HEUTE entgegen schlüge, wenn sie gedreht würden: Damals waren die Winnetou-Filme, ähnlich wie die Bücher, visionär und progressiv. Und sie prägten einen Zeitgeist und waren Generationsereignisse der Mediengeschichte. Sie zurück zu halten ist einfach Quatsch! Oder sollen wir jetzt Homer hinterfragen, ob Zyklopen da eine richtige Würdigung als menschliche Wesen erhielten? Helena von Troja wurde nicht unbedingt aufgrund ihrer Intelligenz und Tatkraft in den höchsten Tönen beschrieben, sondern wegen ihrer Schönheit. Etwas sexistisch, oder? Shakespeare hatte Dinge in seinen Texten, die aus heutiger Sicht problematisch sind. Darüber wurde in den USA sogar recht heftig diskutiert. Speziell zum Beispiel über ne Verfilmung Othellos aus dem Jahr 1965, in der ein weißer Schauspieler schwarz geschminkt wurde. Sollen wir deshalb Shakespeare verbannen? Natürlich nicht! Im Gegenteil! Es ist doch wichtig zu sehen, wie Rassismus sich vor 100, 200 oder 2000 Jahren selbst in der größten Literatur ganz selbstverständlich breit machte. Nur so können wir doch lernen, ihn wirklich zu erkennen und zu unterbinden. Und die anderen, sehr wichtigen und selbsterkennisreichen Komponenten dieser Werke, warum sie der großen Weltliteratur zugerechnet werden, sind davon doch absolut unbenommen! Wir sollen diese Dinge durchaus sachlich diskutieren. Wir sollten versuchen, die Werke differenziert zu betrachten und zu analysieren. Und wir sollten daraus Schlüsse ziehen und lernen. Wir sollten erläutern, warum ein HEUTE geschriebener Winnetou ganz anders zu beurteilen ist, als es einer im Jahr 1893 war. Wir sollten differenzieren und vor allem die betroffenen Gruppen fragen, wie sie Bücher und Filme empfinden. Aber bitte auch nicht nur die extremsten Einzelpositionen. Denn so sehr ich der Meinung bin, dass es das Ziel sein sollte, keinen zu verletzen: Das ist nicht möglich. Denn Menschen sind sehr gern mal unfassbar verletzt. Und längst nicht nur Randgruppen. Im Gegenteil. Die Verletztesten sind meist diejenigen, denen nie jemand wirklich weh getan hat. Die weißen Männer und Frauen, die plötzlich „nichts mehr dürfen“ und sich nur „einer Cancel-Culture anpassen müssen“. Und sei es nur, dass ihre moralischen oder gar religiösen Gefühle verletzt werden, da irgendwo ne nackte Brust auftaucht oder der Weiße auch mal der Böse ist, auch wenn dafür ein Schwarzer zur Verfügung stünde. Lasst uns doch die alten Winnetou-Filme schauen und genießen, aber darüber reden, wie das Leben der Indigenen WIRKLICH war und ist. Lasst uns einen Blick auf die heutige Welt werfen. Wo durch die wenigen verbliebenen Gebiete Ölpipelines gebaut werden sollen und so weiter. Akzeptieren wir unsere Geschichte und die damit verbundene Literatur, lernen daraus und schauen wir nach vorn. Denn eins ist klar: Erstens gibt es viel schlimmere Werke als die von Karl May. Und zweitens ändert auch das Verbot aller Literatur dieser Zeit nichts an den Geschehnissen. WENN wir solche aber in Zukunft verhindern wollen, dann müssen wir darüber Bescheid wissen und lernen. Wer die Geschichte nicht kennt, der ist verdammt sie zu wiederholen. Tun wir in vielen Dingen gerade sehr eifrig.

Bücher sind gut. Immer!

Bücher sind ein Stück Kultur, ein Stück Meinung und damit ein Stück des demokratischen Diskurses. Bücher haben eine Berechtigung. Und so edel die Motive auch sein mögen: Bücher zu verbieten oder zurückzuhalten ist immer kritisch. Wer soll das entscheiden? In den USA verbietet eine religiöse Rechte, dass Werke wie „Der Fänger im Roggen“, „Brave New World“, „Wer die Nachtigall stört“ oder „The hate you give“, um nur einige zu nennen, in Schulen gelesen werden dürfen. In Nazi-Deutschland waren es eher andere Bücher. Im Iran sind es wieder andere. Und die Leute, die sie verbieten, sind oft überzeugt, etwas Gutes zu tun. Zum Beispiel Kinder zu schützen. Nur: Wer entscheidet das? Wollen wir uns jetzt mit anderen Büchern in diese Riege einordnen? Egal, ob wir bestehende Werke verbieten oder verbrennen, oder ob wir neue Werke zurückhalten: Ich habe damit ganz grundsätzliche Bauchschmerzen. So sehr ich auch im Einzelfall zustimmen möge: Wo Bücher verboten wurden, war das eigentlich nie ein gutes Zeichen. Freie Gesellschaften schaffen es, mit abweichenden Meinungen – auch dummen, falschen, menschenverachtenden – so umzugehen, dass sie nicht zum Problem werden. Wenn wir das nicht schaffen, dann lasst uns den Laden einfach zusperren. Ich will keine Gedankenpolizei. Ich will nicht einmal Gedankenpolizei sein! So sehr ich auch selbst überzeugt bin, dass meine Einstellungen gut und richtig sind – sonst hätte ich ja andere. Trotzdem: Menschen haben das Recht darauf, auch „falsche“ Meinungen zu haben. Wie Voltaire sagte: „Ich stimme Deiner Meinung nicht zu, aber ich würde mein Leben geben, dass Du sie äußern kannst.“ DIESEN Geist wünsche ich mir. Und als Antwort äußere ich dann halt meine Meinung, dass es kolonialistischer oder rassistischer Scheißdreck ist, wenn jemand HEUTE Werke in der Diktion von Winnetou schreibt – was May kein bisschen seiner damals visionären Weltsicht wegnimmt. Ist das so schwer?!

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