„Technologieoffen“ – Bis die halbe Stadt hochfliegt?

Wohl kein Begriff in unserer aktuellen medialen und sonstigen Diskussion regt mich so sehr auf wie der der „Technologieoffenheit“. Wer damit operiert, der gibt sich den Anschein von Modernität und Weltgewandtheit. Doch all zu oft ist es ein Zeichen für… nun… sagen wir bedingte Sachkenntnis. Denn natürlich sind alle politischen Entscheidungen – zumal solche in der Wirtschaft – zunächst einmal „technologieoffen“. Das zu negieren ist ungefähr so, als befürchte man, die Evolution würde bestimmte Dinge einfach dogmatisch ausschließen. In Wirklichkeit haben sich halt manche Konzepte einfach nicht durchgesetzt – aus Gründen, die man vielleicht auch auf den ersten Blick nicht verstehen kann. Aber sie kommen deshalb einfach nicht wieder. Es gibt einfach überlegene Konzepte. Riesenwuchs bei Insekten beispielsweise. Der ist in der heutigen Zeit, mit den heutigen atmosphärischen Parametern, einfach nicht vernünftig darstellbar. Die Sauerstoffversorgung funktioniert nicht. Es ist ineffizient. Da hilft es wenig, wenn die Libelle den Singvogel fressen könnte, der heute sie jagt. Sie könnte nicht vernünftig atmen (respektive passiven Luftaustausch betreiben). Darum gibt es sie nicht. In der Technologie ist das ähnlich. Manche Konzepte haben sich überlebt oder wurden einfach als nicht sinnvoll erkannt und nicht weiter verfolgt. Nur sehen manche Leute das nicht ein. Je nach Diskussion wird eine andere Sau durch das Dorf getrieben. Da wollen Leute halt unsere ganze PKW-Flotte auf e-Fuels umstellen. Glückwunsch. Wir bräuchten dafür die drei- bis fünffache Energieerzeugung ALLER Energieträger heute, um damit NUR den Motorisierten Individualverkehr zu bedienen. Und hätten noch keine Wattsekunde für Haushalte, für Industrie oder öffentliche Infrastruktur. Einfach Schwachsinn. Es ist ineffizient wie die riesige Libelle. Atomkraft soll beim Nächsten unseren Strom billiger machen. Doof nur, dass die schon OHNE die Endlagerung die teuerste aller Energieformen ist. Nicht auf der Abrechnung, nein. Da stecken ja auch Milliarden Steuersubventionen drin. Rechnen wir alles rein, mit Endlagerung, mit Steuergelden und anderen externen Kosten, dann landen wir irgendwo zwischen 2,50 und drei Euro pro kWh. Achja und seit einigen Jahren verbrauchen wir mehr Uran, als gefördert wird. Viel Nachfrage, wenig Angebot. Ideale Voraussetzungen für a) Kostensenkung und b) Energiesicherheit. Zukunftsprojekt. Sollte man verfolgen. Nicht! Und so geht es weiter.

Wasserstoff – welch wundersames Ding

Eine andere Substanz, die in den „technologieoffenen“ Diskussionen immer wieder vorkommt, ist Wasserstoff. „Warum erzeugen wir unseren Strom nicht einfach mit Wasserstoff?“, wird da gefragt. Nun, der Grund ist derselbe, warum wir ihn nicht einfach aus 9-Volt-Batterien beziehen: Wasserstoff wächst nicht auf Bäumen. Zumindest nicht in atomarer bzw. reiner Form als H2. Sondern kommt zum Beispiel als H2O oder C6H12O6 natürlich vor. Letzteres lässt sich zwar verbrennen, aber da gibt es halt bessere weil effizientere Wege. Wasserstoff muss erzeugt werden. Und zwar aktuell mit Strom. Und davon sind dann nur rund 30% wieder nutzbar zu machen. Es ist also ein gutes Medium um ÜBERPRODUKTIONEN zu speichern. Aber viel besser ist es, Strom, an dem aktueller Bedarf besteht, direkt ins Netz einzuspeisen. Dann haben wir nämlich 100 % verfügbar. Hört sich doch irgendwie geiler an, oder?!

Wasserstoff zum heizen – ich krieg Kopfschmerzen

Den Turbo darauf bringt jetzt aber die Krefelder Politik. Da wurde jetzt im KLIMA-Ausschuss diskutiert, ob wir nicht an der Müllverbrennung „grünen“ Wasserstoff erzeugen, diesen dann in ein Rohrsystem packen und dann in Wohnungen leiten wie bisher Erdgas, wo dann das Zeug verbrannt und damit geheizt wird. Jetzt lassen wir mal für nen Moment raus, dass der „grüne“ Wasserstoff an der MKVA einfach nur TIEFgrau ist (und überdies auch offiziell nur als „orange“ bezeichnet werden dürfte). Denn „grün“ wird er gelabelt, da zu mehr als 50 Prozent biogener Abfall verbrannt wird. Heißt: Krefelder trennen einfach kacke und schmeißen alles in den Restmüll (oder die, von denen das Zeug aus halb Europa zugekauft wird. Wieder: Anderes Thema). Damit die nasse Scheiße auch brennt werden 1-2 Millionen (!!) Liter Öl pro Jahr da rein gekippt. Kunststoff würde so brennen. Aber mit Öl ists halt grüner, ne?! Egal. Viel wichtiger in diesem Kontext: Wie wird denn nun der Wasserstoff erzeugt? Wir haben ein Feuerchen. Mit diesem wird im Prinzip genau wie bei nem Kohle- oder Atomkraftwerk auch, Wasser erhitzt und verdampft. Das geht durch ne Turbine, die Strom erzeugt. Wirkungsgrad wenn es gut läuft 25 bis 30 Prozent. In dem Fall ob des nassen Brennstoffs eher weniger. Daraus wird dann Strom erzeugt und dieser Strom geht dann einen Elektrolyseur. Mit dem wird dann Wasserstoff erzeugt, komprimiert, gekühlt und in die Rohre geleitet. Mal davon ab, dass diese, damit wir einigermaßen gute Energiedichten erzielen, eben gekühlt werden und hohen Drücken standhalten müssten (zusätzliche Kosten), sehen wir doch schon an diesem Punkt: Es ist einfach ineffizient. Dann wird der Wasserstoff, mit dem wir eine recht komplexe Energieform wie Elektrizität erzeugen könnten, einfach verbrannt. Was wir generell mit vielen Substanzen viel effizienter tun könnten. Beispielsweise auch mit Biogas, das in der MKVA übrigens heute schon erzeugt wird und ins bestehende Gasnetz mit bestehenden Heizungen eingespeist werden kann. Nun, wir kommen also insgesamt auf nen Wirkungsgrad von vielleicht 10% für eine Wärmenutzung des Wasserstoffs. Und das ist schon optimistisch. Da lässt sich gerade für Wärme auf anderen Wegen viel mehr raus holen. Das hat dann wohl in abgeschwächter Form – er will ja den Leuten nicht vor den Kopf stoßen – ein Experte im Ausschuss gesagt. Trotzdem gab es Wortmeldungen, man solle ja „technologieoffen“ bleiben. Damit natürlich auch der latente Vorwurf an die, die es wirklich durchdenken und als Unsinn entlarvt haben, sie seinen rückständig. Und das ist einfach Unsinn.

Wasserstoff: Tanz mit dem Drachen

Dabei ist ein ganz wichtiges Gegenargument bei Wasserstoff bisher – auch im KLIMAausschuss – hoffnungslos unterrepräsentiert: Wasserstoff ist ein echtes Teufelszeug. Es ist das kleinste Molekül, das im Universum existiert. Und das Zeug ist extrem flüchtig. Dabei ist es zugleich hochreaktiv und -entzüdlich. Das bedeutet dann, dass wir mit Wasserstoff in Autotanks endlich in einer Hollywoodwelt leben würden. Jeder Unfall, jede Kugel die einen Tank trifft, würde in einer Explosion münden. So ein bisschen Hindenburg für alle. Besonders witzig wird das ja, da viele Leute Kritik an batterieelektrischen Fahrzeugen üben, weil die Batterien ja so schnell brennen und kaum zu löschen sind. Nun sind wir grad dabei neue Akkus zu entwickeln, die ohne seltene Erden auskommen, die rein organisch sind, höhere Energiedichte haben, mehr Ladezyklen und vor allem: Komplett unbrennbar. Nun kann ich die sogar durch nen einfachen Austausch in heutige Batteriefahrzeuge einbauen. Wasserstoffmotoren kann ich nur mit Wasserstoff betreiben. Und jetzt sollen wir uns also dieses Zeug in unsere Wohnungen holen. Stellen wir uns mal vor: Ein komplettes Gasnetz durchzieht die Stadt. Das kann nicht das bisherige sein, denn die Dichtungen z.B. könnten Wasserstoff schlicht nicht halten . Das Zeug würde an allen Ecken und Enden austreten (wobei die genau das wohl ernsthaft diskutieren! In dem Fall wären schwere Katastrophen fast schon unvermeidlich!). Wir müssten also Milliarden investieren, müssten ein Netz für eine hochexplosive Substanz aufbauen, müssten in Häusern und Wohnungen extrem gut abgesicherte Heizungen bauen und vielleicht sogar Leute neu schulen, die Anlagen zu betreiben, zu warten und so weiter. Das ganze würde Jahre dauern und wie gesagt extreme Kosten verursachen. Und dann ist noch die Frage: Wie viel Wasserstoff könnte eigentlich an der MKVA erzeugt werden? Würde es reichen, um ein ganzes Netz zu versorgen? Natürlich nicht. Darum soll Krefeld, das sehr früh ans Wasserstoffnetz angeschlossen werden soll, mal eben zehn Prozent des Wasserstoffbedarfs von ganz NRW verbrauchen. Alle anderen sollen für uns mitproduzieren. Hat ja irgendwie auch Tradition. Soll ja beim Surfpark ähnlich laufen. Auch da wurde ja gesagt, dass andere Städte halt mehr regenerative Energien zubauen müssten um unsere Steigerung des Engergiebedarfs mitzutragen. Soziales Verhalten unserer sozialdemokratischen Ratsführung und Stadtverwaltung halt, ne?! So gesehen ist das Herangehen natürlich erstmal konsequent… Und im Sinne einer Versorgungssicherheit brauchen wir ja auch noch das Öl, das da rein gepumpt wird. Hört sich für mich erstmal semi-sinnvoll an. Aber worauf ich eigentlich hinaus will: Was passiert eigentlich bei einem derart hochentzündlichen Zeug, wenn es irgendwo Leckagen gibt? Klar, damit es hochgeht brauchen wir Sauerstoff. Aber da Wasserstoff viel flüchtiger ist, als Erdgas, würden wir diese Durchmischung potentiell recht schnell hinkriegen. Ich hätte durchaus Bedenken, dass da potentiell ganze Straßenzüge hoch gehen. Ich persönlich jedenfalls würde keine Wasserstoffheizung bei mir einbauen. Und ich würde mir überlegen, gegen Rohre auf der Straße zu klagen.

Wenn schon neues Netz, warum nicht die Primär-Energiequelle nutzen?

Nun, wir haben also ein Zeug, das gefährlich und ineffizient ist und für das wir ein komplett neues Netz bauen müssten. Wie gesagt: Die alten Gasleitungen wären nicht geeignet. Dazu eine fragliche absolute Menge und Sicherheit. Also WENN wir die Kohle dafür in die Hand zu nehmen bereit sind und bereit sind, zu warten, dass wir das System zum Laufen kriegen: Warum bauen wir dann nicht einfach ein BESTEHENDES System, das erprobt und sicher ist, das die primär erzeugte Energieform nutzt und das damit locker die zehnfache Ausbeute erzielen würde, einfach aus: Fernwärme. Nicht, dass man mich hier missversteht: Ich sehe das nicht als die priorisierte Lösung an. Aus den genannten Gründen (Kosten, Zeitfaktor vor allem). Aber WENN wir Kosten und Zeitfaktor schon auf uns nehmen, dann doch bitte mit dem besseren System. DANN lasst uns Fernwärme bauen. Die nutzt direkt die erzeugte Wärme, ohne den Schritt über Turbine, über Erzeugung von Wasserstoff und die erneute Verbrennung. Also WENN wir unser Wärmeproblem über die MKVA lösen wollen, dann doch so. Aber DA haben mittlerweile sogar die größten Befürworter eingesehen, dass es zu teuer und Aufwändig wäre, damit in die Fläche zu gehen. Das wird für die Stadtmitte angedacht. In der Fläche sind die Rohre zu teuer und der Bau dauert zu lang. Darum gehen wir damit Wasserstoff hin, für den wir ne ganz neue Infrastruktur brauchen. Siehe oben. So agieren halt echte Experten. Aber hey, Wasserstoff hört sich halt neu, toll und modern an.

Wir haben die Lösungen doch!

Aber viel besser sind andere Lösungen. Die wir bereits haben. So zum Beispiel Wärmepumpen. Egal, ob Erd- oder Luftwärmepumpensysteme. Gespeist mit PV oder Windkraft, sind die sogar nachrüstbar und dezentral aufgebaut. Wir haben keine Rohrleitungen, wir haben keine hohen Investitionen, sondern jeder Bürger, jede Behörde etc. kann das für sich einfach tun. Kombiniert mit einer Solarthermie und ähnlichen bereits BESTEHENDEN Systemen ist DAS die wirkliche Zukunft. Dafür brauchen wir keine „technologieoffheits“-Dogmen. Wir brauchen einfach nur gute Systeme, die erprobt sind und die problemlos Lösungen bieten würden. Und wenn wir das entsprechend bewerben und voran treiben, dann würden auch Unternehmen aufmachen, die Dinger in immer größeren Stückzahlen, mit immer effizienteren Systemen und mit immer höherer Kosteneffizienz herstellen können. Auch für Heizung und Warmwasser gibt es da Lösungen. Echte Experten empfehlen derzeit für Dachflächen eine Mischung aus PV und Solarthermie. So kann ich Strom UND Wärme erzeugen. Und möglicherweise lassen sich auch Systeme konzipieren, die beides kombinieren. PV-Zellen sind effektiver, wenn sie kühler sind. Vielleicht könnte man sie sogar mit Wasser hinterspülen und so sogar auf der selben Fläche Strom UND Wärme erzeugen. Aber das ist erstmal nur ein Gedanke. Wichtig ist: Auch ohne neue Systeme GIBT es Lösungen, die funktionieren. Wir müssen nicht das Rad fünfmal neu erfinden. SO sieht Zukunftsgewandtheit aus. Nicht, indem wir spinnerte Ideen unbedingt durchdrücken wollen, obschon sie weder sinnvoll noch wirklich umsetzbar sind. Warum genau kommen wir in der Energiewende nicht voran? Genau wegen solcher Diskussionen. Statt alle (Planungs-)Energie auf sinnvolle Dinge zu richten, diskutieren wir Schwachsinn wie Wasserstoff in allen Lebenslagen (gefühlt) bis hin zum Zähneputzen, e-Fuels oder ähnlichen unwirtschaftlichen Unsinn und verschwenden darauf auch planerische Energie. Das ist Energiewendeverhinderung. Und nichts sonst. Technologieoffenheit ist halt ein Wort, das sich erstmal schön anhört – das aber halt meist einfach Unsinn ist!

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