Energie: Bitte lasst uns die WAHREN Themen diskutieren

Energie, allein dieses Wort sorgt dieser Tage bei Vielen für regelrecht schlaflose Nächte. Werden wir in Deutschland einen Blackout erleben? Werden wir alle frieren? Werden uns die Energiekosten um die Ohren fliegen? Sollten wir Atomkraftwerke am Netz halten, also die Laufzeit verlängern? Vielleicht alte Meiler wieder anfahren? Wenn ja: Wie lange? Wird uns das Gas ausgehen? Diese und weitere Fragen treiben die Menschen im Land derzeit um. Manche davon berechtigt, manches ist aber nur absolut unbegründete Panikmache. Das beginnt schon bei den Begrifflichkeiten. Vergangenen Monat fiel hier in Krefeld aufgrund eines Fehlers bei Amprion auf weiten Teilen des Stadtgebietes für zehn bis 15 Minuten der Strom aus. Und das ausgerechnet am Morgen, als die Menschen duschen, die Haare föhnen oder Kaffee kochen wollten. Bei Vielen war das Schreckgespenst Blackout da. Und das wurde auch diskutiert. Man las durchaus, wir hätten einen „Blackout“ gehabt. Für diese Panik müssen wir als Medienvertreter uns auch – bei allen realistischen Mahnungen – eine Mitschuld geben. Aber stopp! Nein, das war kein Blackout. Es war ein regional sehr begrenzter Stromausfall. Das ist ein riesiger Unterschied! Bei einem Blackout können im gesamten Netz (und das umfasst ganz Europa!) Last und Energieerzeugung nicht zur Deckung gebracht werden. Dadurch kommt es zu Spannungsschwankungen die zum Kollaps des Netzes führen. Wie und warum, das lässt mit relativ einfachen Berechnungen in der E-Technik errechnen. Unter dem Strich hängen Stromstärke, Spannung und Widerstand über das Ohmsche Gesetz (U=R*I) zusammen. U ist die Spannung, R der Widerstand (in letzter Konsequenz die Verbraucher), I ist die Stromstärke. (Keine Sorge, das war es auch schon mit Formeln und E-Technik 😉 ). Wenn nun eine Größe sich sprunghaft verändert, dann hat das auf mindestens eine weitere eine ebenso große Auswirkung. Darum ist übrigens zu viel Strom auch genauso schädlich für ein System, wie zu wenig. Der Punkt ist: Bei einem Blackout kollabiert das gesamte System. Europaweit. Und das dann wieder anzufahren ist schwierig. Im Prinzip müsste man alle Verbraucher in ganz Europa ausschalten. Dann Kraftwerk für Kraftwerk wieder hochfahren und genau so viele Verbraucher einschalten, wie gerade Strom erzeugt wird. Das geht natürlich nicht und darum wäre es ein Prozess, der potentiell Tage oder sogar Wochen dauern würde. Ein regionaler Stromausfall, wie wir ihn in Krefeld hatten, ist etwas völlig anderes. Er sorgt im Netz zwar für ne gewisse Schwankung, die ist aber überschaubar. Schon eine große Gewitterwolke, die sich vor die Sonne schiebt und in kurzer Zeit ganze Solarparks ausschaltet oder ihre Leistung deutlich reduziert, oder die Spitzen, wenn um 7 Uhr plötzlich in ganz Deutschland synchron die Kaffeemaschinen angeworfen werden – oft mit Timer – dürften weit größere Auswirkungen auf die Netze haben.

Lasst uns präzise analysieren und nicht Parolen nachkrähen

Dieses kleine Krefelder Stromausfall-Beispiel zeigt: Wir müssen uns sehr genau anschauen, von welchen Begriffen wir reden. Und es zeigt noch etwas: Das resilienteste System, das wir uns heute denken könnten, wäre eines, das auf Regenerativen mit großen Speichern basiert, die in Sekundenschnelle Bedarfsspitzen abdecken können oder von Energieabgabe auf Energieaufnahme (und umgekehrt) schalten können. Wenn das dann auch noch kleinteilig und dezentral angelegt ist, hätten wir eine große Versorgungssicherheit und zudem extrem billigen Strom. Wie könnte das funktionieren? Mit einzelnen in sich zunächst mal autarken Netzwerken, die Häuserblöcke, inklusive Speichern, weitgehend subsistent mit PV und Mikrowindkraftanlagen versorgen, während intelligente Systeme die Vernetzung innerhalb von Städten, Bundesländern, Staaten und dann ganz Europas herstellen aber auch trennen können (Während große Solar- und Winparks mit Speichern die Industrie versorgen und eine Grundlast bereitstellen). Günstig wäre es, da PV und Wind sich schnell amortisieren. Schon bei sehr viel geringeren Energiepreisen, als wir sie derzeit haben.

Schuldzuweisung geht an die völlig falsche Adresse

Doch wenn ich die öffentliche Diskussion verfolge, wird mir persönlich regelrecht schlecht! Nun ließe sich zunächst auf der Analyseebene festzuhalten, dass wir, hätten wir den Ausbaupfad zu Beginn des Jahrtausends beibehalten, heute fast komplett regenerativ unterwegs wären. Wir bräuchten gar keine Energieimporte aus Russland – gleich ob in Form von Gas, Uran oder Öl – mehr. Ebensowenig wie aus Katar oder Saudi-Arabien, um nur ein paar zu nennen. Das wurde dann, wie sich ebenfalss festellen ließe, durch die katastrophale Energiepolitik der Merkel-Zeit zunichte gemacht. Stattdessen aber gehen die Kommentatoren in fast sämtlichen Foren und sozialen Netzwerken geschlossen auf „die Grünen“ los, die ja für alle Probleme verantwortlich seien. Und wieder mal bin ich aus purer intellektueller Redlichkeit in eine Rolle gedrängt, die ich nicht haben will: Dem Verteidiger der grünen Partei. Ich bin eigentlich überhaupt kein Fan der Grünen. Aber das vor allem, weil sie schlicht keine grüne Politik machen, sondern sich ständig zu Tode diskutieren und Kompromisse machen, die am Ende von ihren eigentlichen Standpunkten gar nichts übrig lassen. Egal, der Punkt ist: Wenn Leute behaupten, die aktuellen Energiesorgen und die folgende Inflation seien eine Folge grüner Politik, dann ist das einfach grundfalsch! Der Ehrlichkeit folgend gilt es festzustellen: Wäre die (rot-)grüne Politik der Regierung Schröder (dem ich nun wirklich nicht ohne Not viel Positives nachsagen würde) in dieser Hinsicht fortgesetzt und die Ausbaupfade beibehalten worden, dann hätten wir kein Problem. Die Abhängigkeit von Russland wurde durch die folgenden schwarz-gelben und schwarz-roten Regierungen geschaffen und vertieft, der Zubau Regenerativer zugleich massiv behindert -z.B. durch unsinnige Abstandsregeln und eine katastrophale Subventionspolitik. Habeck muss das nun ausbaden und steht doof da. Klar ist aber: JEDE Bundesregierung der Geschichte hätte auf den russischen Überfall mit denselben Sanktionen reagiert. Und den Umbau der Energiesysteme so schnell zu gestalten, wie es nun nötig wäre, ist physikalisch unmöglich. Habeck trifft also, wie alle anderen Grünen, die geringste Schuld. Die liegt bei CDU/CSU, SPD und FDP. Und wie die ticken, das zeigt nicht zuletzt der Schrei nach AKW-Reaktivierungen und Verlängerungen vor allem durch Friedrich Merz und den schwarz-weißen Posterboy Christian Lindner. Ihre Äußerungen zeigen, wie wenig Ahnung sie von der Thematik haben. Denn wer nur mal drei Minuten Zeit auf Google verwendet, der sollte wissen, dass wir ein Problem in der Beschaffung von Kernbrennstäben haben. Die weltweite Produktion hält mit der Nachfrage schlicht nicht mit. In der Folge dauert die Beschaffung btw Lieferzeit von Brennstäben heute circa eineinhalb Jahre. Qualifiziertes Personal zu finden ist nun auch kein Selbstgänger. Und der Beitrag der bleibenden Meiler zur Energieerzeugung in Deutschland ist auch eher marginal. Im ersten HJ 2022 waren es sechs Prozent (Quelle: Statistisches Bundesamt). All das zeigt: Die Forderung zeigt ein beeindruckendes Maß an Realitätsverlust. Zumal Kernkraft, wenn wir alles hinein rechnen (vor allem auch die Kosten für Endlagerung) die mit weitem Abstand teuerste Energieform ist. Die realen Kosten genau zu ermitteln fällt schwer Aber es gibt Schätzungen bis zu 2,50 Euro pro Kilowattstunde. Wohlgemerkt: Ohne GAU! Achso, und unsere Energieprobleme kommen nicht zuletzt daher, dass viele französische Meiler mangels Kühlmitteln heruntergefahren werden mussten. Da erscheint es irgendwie widersinnig, Atommeiler gegen ein von Atommeilern hervorgerufenes Problem zu bauen, zu reaktivieren oder zu verlängern, oder?!

Achtung! Die Gefahr kommt von Rechts!

Die Kritik an den Grünen ist dabei bestenfalls ein Ablenkungsmanöver. Wenn CDU/CSU sie liefert, dann natürlich um von eigenen Versäumnissen abzulenken. Noch viel schlimmer aber ist eine andere Entwicklung, die meine Freundin jetzt auf Twitter gefunden hat: In rechten Gruppen gibt es tatsächlich einen Hashtag, unter dem dazu aufgerufen wird, besonders viel zu heizen und Energie zu verbrauchen. Hintergrund ist das zutiefst „patriotische“ Bestreben (haha), die Gasreserven so schnell wie möglich aufzubrauchen. Ziel des Ganzen: Die Sparmaßnahmen der Regierung sollen torpediert werden und eine angebliche Hilflosigkeit und falsche Politik der Verantwortlichen offengelegt werden. Das soll, so das Ziel, zu einer Revolution und dem Sturz der Regierung führen. Das Perfide dahinter: Ist das Gas einmal weg, dann kann es unmöglich während des Winters in ausreichendem Maße wieder aufgefüllt werden. Nach dem Ende von Northstream durch den Anschlag – über dessen Verursacher sich nur spekulieren lässt. Ich persönlich halte Russland ehrlich gesagt für einen sehr unwahrscheinlichen Urheber. Welchen Grund sollten sie haben? Sie haben doch die volle Kontrolle und können einfach nix mehr einleiten. Bislang hatten sie aber die Möglichkeit, z.B. nach Regierungswechseln hin zu autokratischen Regimen auch in Deutschland dann wieder zu öffnen und dringend benötigte Devisen ins Land zu holen. Jetzt ist das nicht mehr möglich. Aber das nur so nebenbei – ist das vorbei. Der Punkt ist: Selbst wenn bei einer spekulierten Neuwahl z.B. die AfD eine absolute Mehrheit abräumen WÜRDE (nicht realistisch, nicht missverstehen, einfach nur, um den Fall mal durchzuspielen), so könnte sie aus Russland nur auf einem Weg Gas beziehen: Durch die einzige noch existierende Pipeline. Und die führt durch die Ukraine. Wie lange würde die in diesem Falle, wenn Deutschland der Ukraine in den Rücken fiele, wohl heil bleiben? Ich denke, wenn wir viel Glück hätten, könnten wir damit dann noch schnell nen Gasballon aufblasen. Heißt: Selbst in diesem spekulierten Falle bliebe das Problem in jedem Falle bestehen. Heißt dann: Die Demokratie findet, selbst mit AfD-Führung (wenn wir das mal spaßeshalber als Demokratie ansähen), keine Lösung und sie hoffen vermutlich, dass dann eine Revolution hin zu einer Autokratie stattfände. Das Ding ist also brandgefährlich und ich hoffe, der Staatsschutz ist nicht nur an der Sache dran, sondern findet hier nicht zuletzt auch eine Handhabe, einzugreifen. Das Schlimme ist: Der Gaspreisdeckel, der das Leben für die Bevölkerung bezahlbar machen soll, hilft diesen Idioten sogar bei ihrem perfiden Vorgehen. Generell muss man sich das ganze Konstrukt auch mal auf der Zunge zergehen lassen: Diese Vollpfosten krakelen in einer Tour, die grüne Politik würde die deutsche Wirtschaft schädigen. Und um das zu beheben wollen sie jetzt wissentlich eine Gaskrise hervorrufen. Die Notfallpläne dafür sehen vor, dass zunächst Unternehmen in einer Reihenfolge determiniert durch ihre gesellschaftliche Bedeutung, vom Netz genommen würden und dann die BürgerInnen frieren müssten. Die Folge: Unternehmenspleiten, Leid, Armut, aber natürlich auch Erkrankungen und so weiter. Und diese Hazardeure bezeichnen sich als Patrioten. Vielleicht sollten wir denen mal Wikipedialinks schicken, damit sie das Wort mal nachlesen können…

Die wahren Verursacher der Probleme sind andere

Das zeigt tatsächlich: So wenig ich Fan der Regierung Scholz bin und so viel ich auch generell an den Grünen zu kritisieren sehe: Die Probleme, denen wir uns derzeit gegenüber sehen, haben sie nicht zu verantworten. Wie gesagt, Scholz ist für mich kein guter Kanzler, schon gar nicht in der derzeitigen Situation. In meinen Augen ist er so weit weg von einem „Mann der klaren Worte“, wie man nur theoretisch sein kann und genau den bräuchte es in der derzeitigen Situation (gern natürlich auch eine Frau der klaren Worte). Die FDP ist seit vielen Jahren eine derartige Vollkatastrophe, dass ich darüber gar nicht erst schreiben will. Wenn Du die richtige Antwort zu einem Thema haben willst, dann nutzt Du die am besten als Kontraindikator: Sagt die FDP „ja“, dann ist mit fast absoluter Sicherheit „nein“ moralisch wie fachlich und meist sogar ökonomisch richtig. Die Grünen sind meiner Ansicht nach viel zu kompromissbereit und von ihrem Markenkern bleibt nix übrig, egal in welcher Regierung sie sitzen. Die SPD hat überdies zumindest mal an Teilen – vor allem der Energiekrise – noch ihre Fingerabdrücke, denn sie waren, wenn auch als Juniorpartner, Teil der vergangenen Regierungen. Das alles konstatiere ich gerne. Die Grünen sind daran aber unschuldig. Die Inflation übrigens entspringt vor allem (neben der Energiethematik) gestörten Lieferketten. Und das ist eine direkte Folge der Corona-Pandemie und steigenden nationalistischen Tendenzen überall auf der Welt in der Folge. Dadurch gibt es in vielen Bereichen weniger Angebot und damit steigende Preise. Auch der Ukraine-Krieg verursacht natürlich Preissteigerungen. Beispielsweise auf dem Lebensmittelmarkt. Das Land ist einer der größten Getreide- (v.a. Weizen-)exporteure auf der Welt. Man liest immer wieder Leute, die sagen „ach, das sind doch nur acht Prozent“. Aber acht Prozent der Weltproduktion bedeutet, dass fast jeder elfte Teller leer bleibt! Weltweit! Und das wiederum heißt: Um das verbleibende Getreide gibt es einen Preiskampf. Und der ist bei einem Produkt mit so elastischen Preis wie Getreide (ich MUSS es kaufen, fast egal, was es kostet. Denn die Alternative ist ja Hunger) eben deutlich stärker als der Rückgang des Angebots. Aber selbst wenn der Preis „nur“ um die acht Prozent stiege, dann wäre das schon ein Wort. Energiekosten etc. kommen ja noch oben drauf.

OK, aber was ist zu tun?

Bleibt die Frage: Wie könnte man denn in der Situation reagieren? Kernkraftwerke reaktivieren ist Schwachsinn. Bis wir die wieder anfahren, ist die Krise so oder so vorbei. Entweder wir haben es gelöst, oder alles ist kollabiert. Aus den oben genannten Gründen. Und teuer würde es obendrauf. Gas woanders beschaffen geht so schnell auch nicht. Wir müssen also in der Tat mit Sparsamkeit und lieber mit nem dicken Pulli und 18 Grad statt mit T-Shirt und 22 Grad durch den Winter kommen (und hoffen, dass der Klimawandel uns ausnahmsweise mal hilft und es nicht so kalt wird). Gleichzeitig müssen wir die Zukunft vorbereiten: Raus aus den alten Technologien, raus aus Abhängigkeiten. Wir brauchen ein Investitions- und Förderprogramm mindestens in „Doppelwums“-Kategorie. Also ähnlich wie die, die nun die Bundeswehr fitmachen (wird eh nicht klappen, darüber hab ich ja schon geschrieben) und die schlimmsten Folgen der Krise ausgleichen sollen. Also 100, besser 200 Milliarden. Und dafür müssten wir – bei gleichzeitiger Abschaffung von Abstandsregeln etc. – massiv PV und Wind ausbauen. Es darf in 2-3 Jahren schlicht kein Dach mehr geben, das für PV geeignet und nicht genutzt ist. Gleichzeitig müssen wir Speicher massiv fördern und in die Entwicklung EU-weit Milliardensummen investieren. Damit wir für die Zukunft gut aufgestellt sind. Außerdem braucht es Wärmepumpen und Biogaserzeugung im großen Stil. Gelingt das, dann sind wir energetisch einen großen Schritt weiter und haben auch etwas für den Klimaschutz getan. Gleichzeitig aber brauchen wir dringend gesellschaftlichen Diskurs. So schwer es ist: Wir müssen die Mauern zu Schwurblern und Rechten abbauen und sie wieder einfangen. Ansonsten wird es verdammt schwer, ohne schwere Schäden aus der Lage raus zu kommen. Richten wir unser Augen auf die WIRKLICHEN Verursacher der Probleme. Und wie oben dargelegt: Die Grünen sind das zu allerletzt!

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